Das Coronavirus hat Deutschland und die Welt seit Anfang 2020 fest im Griff. Die Auswirkungen lassen sich in allen Bereichen des Lebens, egal ob privat oder beruflich, spüren und machen auch vor der Juristerei nicht halt. Rund um das Virus stellen sich zahlreiche alte und neue Rechtsfragen, die es zu beantworten gilt. Entsprechende Urteile hinsichtlich dieser Fragen liegen bislang nicht oder wenn bislang meist nur von erstinstanzlichen Gerichten vor, so dass eine kompetente und zuverlässige Beratung zu den jeweiligen Themen wichtiger denn je ist.
Neben vielen Fragen, die sich aus dem zivilrechtlichen Bereich ergeben (etwa wie es sich mit gebuchten Reisen, Veranstaltungstickets, Fitnessstudioverträgen oder auch einem Anspruch auf HomeOffice verhält), wirft auch das Strafrecht einige Aspekte auf, die nachfolgend genauer erörtert werden sollen.
Als auf das Strafrecht spezialisierte Kanzlei mit jahrelanger Erfahrung und Kompetenz möchten wir Ihnen die häufigsten Fragen nahebringen und erste Antworten geben. Darüber hinaus stehen wir Ihnen selbstverständlich jederzeit für eine individuelle Beratung zur Verfügung und werden die weiteren Entwicklungen – insbesondere auch die (obergerichtliche) Rechtsprechung dazu – für Sie im Blick behalten.
Körperverletzung gemäß § 223 StGB durch Übertragung des Coronavirus
Wenn man an eine Körperverletzung nach § 223 des Strafgesetzbuchs (StGB) denkt, dann hat man vermutlich erst einmal Bilder von einer Schlägerei oder ähnlichem im Kopf. Tatsächlich kann eine Körperverletzung aber nicht nur dadurch begangen werden, dass der Täter das Opfer beispielsweise schlägt, sondern es reicht grundsätzlich aus, dass eine körperliche Misshandlung oder eine Gesundheitsschädigung stattfinden. Insbesondere eine Gesundheitsschädigung kann auch dadurch erfolgen, dass ein gefährliches Virus übertragen wird und bei dem Opfer anschließend eine Krankheit mit entsprechenden Folgen ausbricht. Als Gesundheitsschädigung bezeichnet man nämlich das Hervorrufen, Aufrechterhalten oder Steigern eines pathologischen (also krankhaften) Zustandes, was beim Ausbruch einer durch das Coronavirus hervorgerufenen Erkrankung zu bejahen sein wird.
Etwas weniger einfach wird in der Praxis jedoch die Frage der Ursächlichkeit, also der Kausalität zu beantworten sein. Eine Strafbarkeit wegen Körperverletzung setzt zwingend voraus, dass die strafbare Handlung auch tatsächlich ursächlich für die Verletzung (hier also den pathologischen Zustand) war. Es müsste also zweifelsfrei nachgewiesen werden, dass die Ansteckung des Opfers durch die Übertragung des Virus durch den Täter erfolgt ist. Viele Fälle dürften praktisch an diesem Punkt scheitern, denn oftmals wird sich nicht zweifelsfrei nachvollziehen lassen, wo genau sich das Opfer angesteckt und ob diese Ansteckung den Ausbruch der Krankheit bewirkt hat.
Neben der Problematik der Kausalität wird es in der Praxis darüber hinaus oftmals an dem für eine Körperverletzung gemäß § 223 StGB erforderlichen Vorsatz (subjektiver Tatbestand) fehlen. Dieser setzt voraus, dass der Täter einerseits von seiner eigenen Infektion mit dem Coronavirus wusste und andererseits die Ansteckung des Opfers zumindest billigend in Kauf genommen hat (sogenannter bedingter Vorsatz).
Gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 StGB
Auf der anderen Seite kommt – sofern die vorgenannten Voraussetzungen vorliegen – neben einer einfachen gegebenenfalls sogar auch eine gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB in Betracht. Für eine solche kann es nämlich bereits genügen, dass die Körperverletzung durch Beibringung eines „gesundheitsschädlichen Stoffes“ begangen wird. Es ist davon auszugehen, dass das Coronavirus als Krankheitserreger als ein solcher gesundheitsschädlicher Stoff einzuordnen sein wird und daher im Fall der Fälle sogar eine gefährliche Körperverletzung vorliegt.
In Fällen, in denen eine wissentlich mit dem Coronavirus infizierte Person beispielsweise eine andere Person anspuckt, ist daher eine Strafbarkeit nach § 224 StGB durchaus möglich.
Fahrlässige Körperverletzung gemäß § 229 StGB
Neben einer vorsätzlichen (gefährlichen) Körperverletzung kann im Zusammenhang mit dem Coronavirus auch eine fahrlässige Körperverletzung in Betracht kommen. Hierzu genügt es bereits, dass die Körperverletzung durch eine Außerachtlassung der gebotenen Sorgfaltsmaßstäbe (also ohne, dass Vorsatz erforderlich wäre) herbeigeführt wird. Durch die Bundesregierung, die Bundesländer sowie die Städte und Gemeinden sind gerade im Kontext des Coronavirus jede Menge Handlungsanweisungen und -empfehlungen herausgegeben worden (wie beispielsweise Abstandsregeln, Empfehlungen zum Lüften, Kontakteinschränkungen etc.). Werden diese Verhaltensregeln missachtet und tritt damit ein Verhalten ein, das ein Durchschnittsbürger in einer vergleichbaren Situation nicht an den Tag gelegt hätte, so wird man regelmäßig von einem fahrlässigen Verhalten ausgehen müssen. Auch wenn eine Person, die damit rechnen muss, mit dem Coronavirus infiziert zu sein, körperlichen Kontakt zu einer anderen Person sucht, wird man Fahrlässigkeit annehmen müssen.
Tötungsdelikte gemäß §§ 222, 227, 211 und 212 StGB
Schließlich ist im Zusammenhang mit dem Coronavirus sogar eine Strafbarkeit wegen unterschiedlicher Tötungsdelikte denkbar. Führt die durch das Coronavirus hervorgerufene Erkrankung zum Tod des Opfers, kann dies – je nach Vorliegen der weiteren Voraussetzungen – eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Tötung (§ 222 StGB), aufgrund einer Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB) oder sogar wegen Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB) zur Folge haben. Insbesondere eine Mordanklage wird jedoch nur äußerst selten ernsthaft in Erwägung gezogen werden, da diese das Vorliegen eines Mordmerkmals voraussetzt. Als solches wäre wohl am ehesten an die Heimtücke zu denken, die jedoch eine Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers erfordert. In Anbetracht der aktuell äußerst präsenten Gefährdungslage, dürfte das Vorliegen dieser Voraussetzung regelmäßig nur schwer darzulegen sein.
Delikte nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG)
Auch das IfSG sieht Strafbarkeitsregelungen vor, die im Kontext des Coronavirus eine erhebliche Relevanz erlangen können. Viele Bundesländer haben in den vergangenen Monaten Rechtsverordnungen erlassen. Wird gegen diese oder anderweitige behördliche Anordnungen verstoßen kann eine Strafbarkeit entsprechend der §§ 74 und 75 IfSG damit einhergehen. Ein relevantes Beispiel ist in diesem Zusammenhang etwa auch ein Verstoß gegen eine angeordnete Quarantäne, der sogar bei fahrlässiger Begehung mit einer Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr geahndet werden kann (bei vorsätzlicher Begehung drohen eine Geld- oder Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren).
Unterbrechung der Hauptverhandlung
Eine weitere Besonderheit im Zusammenhang mit dem Strafrecht und Corona stellt schließlich eine gesetzliche Regelung dar, die im März 2020 vom Deutschen Bundestag beschlossen wurde. Diese ermöglicht es den Gerichten, Hauptverhandlungen für einen Zeitraum von bis zu drei Monaten und zehn Tagen zu unterbrechen, wenn sie wegen Maßnahmen, die dem Schutz vor einer Corona-Infektion dienen, nicht durchgeführt werden können. Beispiele hierfür sind etwa Situationen, in denen zwingend erforderliche Prozessbeteiligte unter Quarantäne gestellt wurden, sehr viele Prozessbeteiligte anwesend sein müssen und Abstandsregelungen daher nicht eingehalten werden können oder das Gericht nur einen eingeschränkten Betrieb gewährleisten kann.