Der Schutz unserer Umwelt ist eine zentrale Aufgabe des modernen Rechtsstaates. Angesichts der globalen Herausforderungen wie etwa Klimawandel, Artensterben, Gewässerverschmutzung und auch Ressourcenknappheit kommt dem Umweltrecht – und dabei insbesondere dem Umweltstrafrecht – eine stetig wachsende Bedeutung zu.
Doch was genau umfasst das deutsche Umweltstrafrecht? Welche Taten sind tatsächlich strafbar, wie sehen etwaige Sanktionen aus und wer wird überhaupt belangt?
Dieser Beitrag gibt einen grundlegenden Überblick über ein Rechtsgebiet, welches sich in den vergangenen Jahren unglaublich schnell entwickelt hat, das in Zukunft noch weiter an Bedeutung gewinnen dürfte und das nicht zu unterschätzen ist.
Allgemeine Informationen
1. Was ist Umweltstrafrecht?
Das Umweltstrafrecht ist ein Teilbereich des Strafrechts, der auf den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen wie Luft, Wasser, Boden, Tiere und Pflanzen abzielt. Es dient nicht nur dem Erhalt der Natur, sondern auch dem Schutz der Gesundheit des Menschen sowie der wirtschaftlichen Stabilität, etwa im Bereich der Landwirtschaft oder der Trinkwasserversorgung.
Zentrale Regelungen finden sich im 29. Abschnitt des Strafgesetzbuchs (StGB), §§ 324–330d, ergänzt durch Vorschriften aus dem Nebenstrafrecht wie dem Wasserhaushaltsgesetz (WHG), Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG), Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) oder dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG).
2. Europarechtliche Ebene
Da es sich, wie bereits erwähnt, bei dem Umweltstrafrecht um ein globales Thema handelt, wurden viele Maßnahmen der vergangenen Jahre auf europäischer Ebene ergriffen. Zu nennen ist hier im Zusammenhang mit den strafrechtlichen Aspekten des Umweltschutzes insbesondere die EU-Richtlinie 2008/99/EG vom 19. November 2008 über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt.
Im deutschen Recht wurde die Richtlinie durch verschiedene strafrechtliche Normen – vor allem im 29. Abschnitt (§§ 324 ff.) des Strafgesetzbuches (StGB) – umgesetzt. Bei der Verwirklichung der entsprechenden Straftatbestände geht der Gesetzgeber vom Vorliegen von Zuwiderhandlungen in einem besonders schweren Maß aus und ahndet die entsprechenden Straftaten mit einer Geld- oder sogar einer Freiheitsstrafe.
Allerdings finden sich relevante Vorschriften aus dem Bereich des Umweltschutzes nicht nur im StGB, sondern auch in sogenannten Nebengesetzen. Hierzu zählen etwa das Bundesbodenschutzgesetz, das Bundes-Immissionsschutzgesetz oder auch das Bundesnaturschutzgesetz.
3. Ordnungswidrigkeiten
Eine Besonderheit der genannten Vorschriften ist, dass es sich nicht bei allen Tatbeständen um Straftaten handelt. Stattdessen spielen im Bereich des Umweltstrafrechts auch Ordnungswidrigkeiten eine erhebliche Rolle.
Möglicherweise wird es zunächst überraschen, dass die mutwillige Beunruhigung wild lebender Tiere nach § 39 Abs. 1 Nr. 1 des Bundesnaturschutzgesetzes eine Ordnungswidrigkeit darstellt und mit einem hohen Bußgeld von bis zu 50.000 Euro geahndet werden kann.
Dies ist jedoch nur ein einzelnes Beispiel von einer Vielzahl an Ordnungswidrigkeiten aus dem Bereich des Umweltstrafrechts und soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch andere Umweltelemente heutzutage erheblich besser geschützt werden, als dies noch vor einigen Jahren der Fall war.
4. Zielsetzung und Bedeutung
Das Umweltstrafrecht verfolgt mehrere Ziele, wie zum Beispiel:
- den Schutz vor vorsätzlicher oder fahrlässiger Umweltzerstörung,
- die Abschreckung durch Sanktionen,
- die Ergänzung und Durchsetzung des Umweltverwaltungsrechts oder auch
- die Verantwortlichmachung von Unternehmen und Entscheidungsträgern.
In einer zunehmend industrialisierten Welt, in der wirtschaftliche Interessen oft auf Kosten der Umwelt verfolgt werden, ist das Umweltstrafrecht ein wichtiges Instrument zur Sanktionierung grenzüberschreitender oder systematischer Schädigungen.
Zentrale Deliktsgruppen
1. Gewässerverunreinigung (§ 324 StGB)
Diese Vorschrift verbietet das Einleiten oder Einbringen von Stoffen in Gewässer, wenn dadurch die Wasserqualität gefährdet wird. Besonders relevant ist dies für Industrieunternehmen, Landwirtschaft und Abwasserentsorgung.
Beispiel: Ein Chemieunternehmen leitet unbehandelte Lösungsmittel in einen Fluss ein. Das Wasser wird dadurch biologisch unbrauchbar – eine Strafbarkeit liegt vor.
2. Bodenverunreinigung (§ 324a StGB)
Auch das Einbringen umweltschädlicher Stoffe in den Boden ist strafbar – etwa bei unsachgemäßer Lagerung von Altöl oder auch bei illegaler Entsorgung von Sondermüll.
Beispiel: Ein Betrieb lagert giftige Abfälle ohne Schutzvorkehrungen auf dem Betriebsgelände, wodurch Chemikalien ins Erdreich und später ins Grundwasser gelangen.
3. Luftverunreinigung (§ 325 StGB)
Hierbei geht es um das unzulässige Einleiten schädlicher Gase, Stäube oder Strahlungen in die Atmosphäre – etwa durch Emissionen aus Industrieanlagen oder Verbrennungsprozesse.
Beispiel: Eine Fabrik manipuliert Filteranlagen, um Kosten zu sparen. Infolgedessen werden krebserregende Feinstaubpartikel in großer Menge ausgestoßen.
4. Unerlaubter Umgang mit gefährlichen Abfällen (§ 326 StGB)
Der Umgang mit Abfällen ist besonders streng geregelt, da eine unsachgemäße Entsorgung weitreichende Schäden anrichten kann.
Beispiel: Ein Transportunternehmen lagert alte Autobatterien im Wald, statt sie ordnungsgemäß zu entsorgen. Die Batteriesäure gelangt in den Boden.
5. Illegale Anlagenbetriebe (§ 327 StGB)
Wer Anlagen betreibt, die die Umwelt gefährden (z. B. Chemieanlagen, Klärwerke, Raffinerien), muss dies genehmigen lassen. Der Betrieb ohne Genehmigung oder entgegen Auflagen kann strafbar sein.
6. Verstoß gegen Naturschutzbestimmungen (§ 329 StGB)
Auch Eingriffe in geschützte Lebensräume, das Töten bedrohter Tierarten oder das Vernichten von Brutstätten können strafrechtlich verfolgt werden.
Beispiel: Ein Bauträger beseitigt ein Feuchtbiotop, obwohl dort streng geschützte Amphibienarten leben. Ohne Ausnahmegenehmigung ist dies ein Verstoß gegen § 329 StGB.
7. Umweltgefährdende Anlagen (§ 330 StGB)
Diese Norm fasst besonders schwere Fälle zusammen – etwa wenn durch eine Anlage eine konkrete Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entsteht. Auch die sogenannte „Umweltkatastrophe“ ist hier erfasst.
Strafbarkeit bei Fahrlässigkeit und bei Vorsatz
Nicht nur vorsätzliches Verhalten, sondern auch fahrlässiges Handeln ist im Umweltstrafrecht strafbar. Konkret bedeutet das: Auch wer unachtsam oder nachlässig Umweltvorschriften verletzt, muss mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen.
Beispiel: Ein Landwirt sprüht ein Insektizid auf sein Feld, ohne die Windrichtung zu beachten. Die Chemikalien gelangen in ein nahegelegenes Naturschutzgebiet. Obwohl er dies nicht beabsichtigt hat, könnte er strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden.
Strafbarkeit von Unternehmen und Verantwortlichen
Im deutschen Strafrecht sind grundsätzlich nur natürliche Personen strafbar. Unternehmen als juristische Personen können aber über das Ordnungswidrigkeitenrecht zur Rechenschaft gezogen werden (§ 30 OWiG). Verantwortlich sind dabei regelmäßig:
- Geschäftsführer
- Betriebsleiter
- Umweltbeauftragte
Zusätzlich können Unternehmen mit Geldbußen in Höhe von bis zu 10 Millionen Euro belegt werden (§ 30 OWiG), bei wirtschaftlichem Vorteil sogar mehr (§ 17 OWiG).
Sanktionen im Umweltstrafrecht
Die Strafandrohungen im Umweltstrafrecht reichen von Geldstrafen bis zu 10 Jahren Freiheitsstrafe in besonders schweren Fällen. Weitere denkbare Sanktionen sind:
- Berufsverbot
- Einziehung von Tatmitteln oder Gewinnen
- Stilllegung von Anlagen
- Veröffentlichungsanordnungen („Naming and Shaming“)
Verfahrensablauf und Rolle der Strafverfolgungsbehörden
Liegt ein Verdacht auf eine Umweltstraftat vor, so beginnen Polizei oder Staatsanwaltschaft mit den Ermittlungen. Besonders in dieser (frühen) Phase sind oft Sachverständige notwendig, etwa aus dem Bereich der Umwelttechnik, der Biologie oder der Chemie.
Umweltkriminalität ist nicht selten schwer aufzudecken, da sie:
- oftmals technisch komplex ist,
- in abgelegenen Gebieten stattfindet (illegale Deponien) und
- von wirtschaftlich mächtigen Akteuren begangen wird.
In einigen Bundesländern existieren daher sogar spezialisierte Umweltstaatsanwaltschaften oder Sonderdezernate.
Beispiele aus der Praxis
1. Der illegale Chemikalientransport
Ein Transportunternehmer entsorgt gefährliche Chemikalien aus dem Ausland über eine Zwischenfirma in Deutschland. Die Substanzen werden in einem Waldstück vergraben. Die Ermittlungen dauern über zwei Jahre. Das Landgericht verurteilt den Täter wegen unerlaubten Umgangs mit gefährlichen Abfällen zu 4 Jahren Haft.
2. Gewässerverunreinigung durch Biogasanlage
Ein Leck in einer Biogasanlage wird nicht gemeldet, obwohl Mitarbeiter den Austritt bemerken. Der Gärrest gelangt in einen Bach und verursacht ein Fischsterben auf mehreren Kilometern. Der Betreiber wird zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt.
Kritik und Herausforderungen
Trotz der gesetzlichen Regelungen gibt es auch diverse Kritik am Umweltstrafrecht:
- Geringe Aufklärungsquote: Viele Umweltdelikte bleiben unentdeckt.
- Niedrige Strafen: Gerichte verhängen oft Geldstrafen, was insbesondere bei Großkonzernen meist keine echte Abschreckung darstellt.
- Komplexität: Die technische Komplexität macht Verfahren langwierig und aufwendig.
- Politische Zurückhaltung: Umweltschutzkonflikte betreffen oft wirtschaftliche Interessen, was Ermittlungen erschwert.
Fazit
Das Umweltstrafrecht ist ein wichtiger Baustein zum Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Es ergänzt das Verwaltungsrecht durch Sanktionen bei schwerwiegenden oder wiederholten Verstößen. Trotz einiger praktischer Hürden bleibt es unverzichtbar, um sowohl Einzelpersonen als auch Unternehmen zur Einhaltung von Umweltstandards zu verpflichten.
Die wachsende Bedeutung des Umweltschutzes und das zunehmende öffentliche Interesse werden vermutlich auch weiterhin dazu führen, dass das Umweltstrafrecht ausgebaut und konsequenter angewendet wird – auch im Interesse künftiger Generationen.
Mit viel Erfahrung und Fachexpertise beraten wir Sie sowohl präventiv als auch in dem Fall, dass Ihnen oder Ihrem Unternehmen die Begehung einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit zur Last gelegt wird. Gemeinsam mit Ihnen analysieren wir passgenau Ihren Bedarf und erarbeiten die richtige Strategie zum weiteren Vorgehen. Selbstverständlich umfasst dies auch die im Bereich des Umweltstrafrechts bestehenden Bezüge zum Verwaltungsrecht.