Bei dem Sexualstrafrecht handelt es sich um einen sensiblen und zugleich äußerst wichtigen Teil des deutschen Strafrechts. Es dient insbesondere dem Schutz der sexuellen Selbstbestimmung, vor allem von Kindern, Jugendlichen und weiteren schutzbedürftigen Personen.
Aufgrund der jeweiligen gesellschaftlichen Entwicklungen und der veränderten Wertvorstellungen wurde das Sexualstrafrecht in den letzten Jahrzehnten mehrfach reformiert – zuletzt umfassend im Jahr 2016 mit dem Modell „Nein heißt Nein“.
Der Vorwurf einer Sexualstraftat ist regelmäßig für alle Beteiligten (sowohl auf der Seite des Opfers als auch auf der Seite des Beschuldigten) eine peinliche und unangenehme Sache, über die nicht gerne gesprochen wird. Typischerweise sind äußerst sensible menschliche Bereiche betroffen und ist daher ein ganz besonderes Fingerspitzengefühl bei der Verteidigung im Bereich des Sexualstrafrechts erforderlich.
Im folgenden Beitrag erhalten Sie einen gut verständlichen Einblick in die wichtigsten Regelungen, Tatbestände, Strafen und auch Herausforderungen im Sexualstrafrecht.
Ziel und Bedeutung des Sexualstrafrechts
Das Sexualstrafrecht schützt das Recht eines jeden Menschen auf sexuelle Selbstbestimmung. Es soll insbesondere verhindern, dass Menschen zu sexuellen Handlungen gezwungen oder in ihrer körperlichen und seelischen Unversehrtheit verletzt werden.
Von der Begrifflichkeit her umfasst das Sexualstrafrecht neben Straftaten wie etwa dem Besitz kinderpornographischer Schriften auch solche wie den Exhibitionismus oder eine Vielzahl weiterer Delikte, die sich gegen die sexuelle Selbstbestimmung richten. Am bekanntesten dürften hier der sexuelle Missbrauch oder die sexuelle Nötigung oder auch die Vergewaltigung sein.
Gesetzliche Grundlage
Übersicht über die Rechtsvorschriften
Ihre gesetzliche Grundlage finden die Straftaten des Sexualstrafrechts im 13. Abschnitt des Strafgesetzbuches (StGB), konkret in den §§ 174 bis 184j StGB.
Es handelt sich um die nachfolgenden Straftaten:
- Sexueller Missbrauch in den verschiedensten Ausprägungen (§§ 174 bis 176 d StGB)
- Verbreitung und Besitz von Anleitungen zu sexuellem Missbrauch von Kindern (§ 176 e StGB)
- Sexueller Übergriff; sexuelle Nötigung; Vergewaltigung (§§ 177 f. StGB)
- Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger (§ 180 StGB)
- Ausbeutung von Prostituierten (§ 180 a StGB)
- Zuhälterei und Führungsaufsicht (§§ 181 a und b StGB)
- Sexueller Mißbrauch von Jugendlichen (§ 182 StGB)
- Exhibitionistische Handlungen (§ 183 StGB)
- Erregung öffentlichen Ärgernisses (§ 183 a StGB)
- Verbreitung pornographischer Inhalte (§ 184 StGB)
- Verbreitung gewalt- oder tierpornographischer Inhalte bzw. kinder- oder jugendpornographischer Inhalte (§§ 184 a – c StGB)
- Veranstaltung und Besuch kinder- und jugendpornographischer Darbietungen (§ 184 e StGB)
- Ausübung der verbotenen Prostitution (§ 184 f StGB)
- Jugendgefährdende Prostitution (§ 184 g StGB)
- Begriffsbestimmungen (§ 184 h StGB)
- Sexuelle Belästigung (§ 184 i StGB)
- Straftaten aus Gruppen (§ 184 j StGB)
- Verletzung des Intimbereichs durch Bildaufnahmen (§ 184 k StGB)
- Inverkehrbringen, Erwerb und Besitz von Sexpuppen mit kindlichem Erscheinungsbild (§ 184 l StGB)
Altersgrenzen
Die häufige Frage nach bestimmten Altersgrenzen beim intimen Umgang mit Kindern oder Jugendlichen lässt sich nicht pauschal mit einer Altersgrenze beantworten. Vielmehr existieren unterschiedliche Altersgrenzen, die im Zusammenhang mit dem Sexualstrafrecht eine Rolle spielen.
Die möglicherweise wichtigste Grenze bzw. Regelung sieht vor, dass sexuelle Handlungen von Personen, die älter als 14 Jahre sind, mit Personen, die jünger als 14 Jahre sind, stets strafbar sind. Ungeachtet des Alters der Kinder gilt dies zudem auch immer dann, wenn die sexuellen Handlungen den leiblichen Kindern gegenüber vorgenommen werden.
Sind die Jugendlichen, denen gegenüber eine sexuelle Handlung vorgenommen wird, über 14 Jahre aber unter 16 Jahre, dann hängt die Strafbarkeit unter anderem davon ab, ob zu dem oder auch der Jugendlichen ein besonderer Bezug im Sinne eines Ausbildungs-, Erziehungs- oder Betreuungsverhältnisses vorliegt, ob der oder die Jugendliche Geld für sie sexuelle Handlung erhält, ob sich der oder die Jugendliche in einer Zwangslange befand, die durch den Täter ausgenutzt wurde und ob der oder die Jugendliche unreif war und der Täter dies ausnutzte. Auch der Umstand, ob durch die Eltern ein Strafantrag gestellt wurde, spielt eine Rolle.
Hinsichtlich sexueller Handlungen mit einer Person, die älter als 16 aber jünger als 18 Jahre ist, gilt vergleichbares wie bei den 14- bis 16-jährigen. Die sexuelle Unreife hat bei diesen Personen jedoch keine Relevanz mehr.
Die Reform 2016: „Nein heißt Nein“
Bis zu der Reform im Jahr 2016 war ein sexueller Übergriff nur dann strafbar, wenn der Täter dabei Gewalt anwendete, dem Opfer drohte oder eine schutzlose Lage ausnutzte. Kritiker warfen diesem Ansatz vor allem vor, dass viele Formen einer sexuellen Nötigung straffrei blieben – so etwa, wenn das Opfer „nur“ Nein sagte, ohne sich dabei körperlich zu wehren.
Mit der Reform wurde § 177 StGB grundlegend geändert. Seitdem gilt:
Jede sexuelle Handlung gegen den erkennbaren Willen des Opfers ist strafbar – unabhängig davon, ob es zu körperlicher Gegenwehr kommt oder nicht.
Diese Änderung war ein wichtiger Meilenstein im Opferschutz und gilt seitdem als zentraler Fortschritt im Sexualstrafrecht. Schon dann, wenn das Opfer eindeutig „Nein“ oder „Stopp“ sagt und der Täter dennoch weitermacht, kann der Straftatbestand der Vergewaltigung nunmehr erfüllt sein.
Ausgewählte Straftaten des Sexualstrafrechts im Überblick
Nachfolgend finden Sie eine jeweils knappe Übersicht zu ausgewählten Straftatbeständen aus dem Bereich des Sexualstrafrechts. Einige der Delikte sind als Verbrechen einzustufen, sie sehen also eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr vor. Bei anderen der dort geregelten Straftaten handelt es sich jedoch auch um Vergehen, bei denen die vorgesehene Mindestfreiheitsstrafe unter einem Jahr liegt.
Sexueller Übergriff, sexuelle Nötigung und Vergewaltigung (§ 177 StGB)
Dieser Paragraf umfasst:
- Sexuelle Handlungen gegen den ausdrücklichen Willen des Opfers
- Ausnutzung von Überraschungsmomenten oder körperlicher Unterlegenheit
- Sexuelle Handlungen unter Anwendung von Gewalt oder Drohungen
Strafen:
- Grundtatbestand: 6 Monate bis 5 Jahre Freiheitsstrafe
- In schweren Fällen (etwa mit Waffengebrauch oder bei Gruppenvergewaltigung): Freiheitsstrafe von 3 bis 15 Jahren
Beispiel: Eine Person nutzt die Hilflosigkeit einer anderen betrunkenen Person aus und nimmt sexuelle Handlungen an ihr vor – ohne deren Zustimmung. Dies ist strafbar, auch wenn keine Gewalt angewendet wurde.
Sexueller Missbrauch von Kindern (§ 176 StGB)
Kinder unter 14 Jahren sind generell nicht in der Lage, eine rechtsgültige sexuelle Zustimmung zu geben. Jede sexuelle Handlung an oder auch mit einem Kind ist daher strafbar – selbst wenn das Kind zustimmt.
Strafen: Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis 10 Jahren. In schweren Fällen (z. B. Penetration): mindestens 2 Jahre Freiheitsstrafe.
Sexueller Missbrauch von Jugendlichen und Schutzbefohlenen (§§ 174, 182 StGB)
Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren gelten als bedingt einwilligungsfähig. Missbrauch liegt insbesondere dann vor, wenn eine Zwangslage ausgenutzt wird oder ein Machtverhältnis besteht – etwa in Schulen, Familien oder Heimen.
Beispiel: Ein Lehrer beginnt ein sexuelles Verhältnis mit einer 15-jährigen Schülerin. Auch bei scheinbarer Freiwilligkeit kann dies strafbar sein.
Sexuelle Belästigung (§ 184 i StGB)
Seit 2016 ist auch die sexuelle Belästigung als eigenständiger Tatbestand strafbar. Darunter fallen:
- Unerwünschte körperliche Annäherungen sexueller Natur
- Begrapschen
- Sexuelle Kommentare, wenn sie über das zumutbare Maß hinausgehen
Strafen: Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 2 Jahren
Verbreitung pornografischer Inhalte und Kinderpornografie (§§ 184 ff. StGB)
Der Besitz, Erwerb und die Verbreitung von kinderpornografischen Schriften und Dateien sind schwerwiegende Straftaten. Bereits der bloße Download entsprechender Bilder ist strafbar.
Strafen:
- Besitz: 1 bis 5 Jahre Freiheitsstrafe
- Verbreitung: mindestens 1 Jahr, in schweren Fällen bis zu 10 Jahre
Strafverfahren bei Sexualdelikten
Grundsätzliches
Das Sexualstrafrecht stellt ein ganz besonderes Teilgebiet des Strafrechts dar. Neben den vielfältigen juristischen Themen kommen hier fast immer noch Aspekte hinzu, die sich aus der Brisanz des Themas ergeben.
Dank unserer jahrelangen Erfahrung und unserer Fachexpertise verfügen wir bei Göbel & Partner über dieses ganz besondere Fingerspitzengefühl und beraten Sie daher auch im Sexualstrafrecht stets mit der gebotenen Professionalität. Als neutrale Rechtsberater und Strafverteidiger verstehen wir es, bei Bedarf die Brisanz der Angelegenheit zu entschärfen und die möglicherweise persönlichen Aspekte der Angelegenheit auf ein Minimum zu reduzieren.
Ermittlungsverfahren
Sexualstrafverfahren beginnen regelmäßig mit der Aussage des Opfers. Aussagen spielen in diesen Verfahren eine besonders große Rolle, da oft keine Zeugen oder sonstigen eindeutigen Beweise existieren. Klassisch ist die Situation, dass Aussage gegen Aussage steht.
Die Polizei und Staatsanwaltschaft leiten Ermittlungen ein, wobei in der Regel jedenfalls:
- das Opfer als Zeuge vernommen wird,
- medizinische Untersuchungen durchgeführt werden,
- digitale Spuren (z. B. Chats, Bilder, Videos) überprüft und ausgewertet werden.
Prozessverlauf
Sollte Anklage gegen den Beschuldigten erhoben werden, findet die Hauptverhandlung nicht selten unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, um das Persönlichkeitsrecht des Opfers zu wahren. Häufig stehen bei dem Verfahren psychologische Gutachten im Fokus.
Ein erfahrener und feinfühliger Strafverteidiger spielt bei derartigen Prozessen eine zentrale Rolle – sowohl für den Schutz der Rechte des Beschuldigten als auch zur Aufklärung des Sachverhalts.
Schutz der Opfer
Der Opferschutz ist ein wesentlicher Bestandteil des Sexualstrafrechts. Betroffene erhalten beispielsweise besondere Rechte und Möglichkeiten:
- Aussageverweigerungsrecht
- Begleitung durch einen Nebenklägeranwalt
- Psychosoziale Prozessbegleitung
- Ausschluss der Öffentlichkeit bei der Aussage
Daneben existieren Hilfsangebote wie z. B. der „Weiße Ring“, Frauennotrufe oder spezialisierte Beratungsstellen
Falschbeschuldigungen
Sexualdelikte sind schwerwiegende Vorwürfe, die für den Beschuldigten existenzbedrohend und lebensverändernd sein können – sogar dann, wenn sich der Vorwurf später als falsch erweist. Falschbeschuldigungen sind zwar in der Praxis eher selten, kommen jedoch ab und an vor.
Das Strafrecht sieht für Falschverdächtigung (§ 164 StGB) Freiheitsstrafen von bis zu 5 Jahren vor. Dennoch: Jeder Vorwurf muss ernst genommen, aber sorgfältig geprüft werden – selbstverständlich jeweils unter Wahrung der Unschuldsvermutung.
Gesellschaftliche Bedeutung und Prävention
Sexualdelikte berühren nicht nur die Betroffenen, sondern auch das gesellschaftliche Vertrauen in Schutz und Sicherheit. Schulen, Arbeitgeber und öffentliche Einrichtungen haben zunehmend Präventionskonzepte etabliert. Dazu gehören:
- Aufklärungsarbeit in Schulen
- Schulungen von Betreuungspersonal
- Kinderschutzkonzepte in Vereinen
Moderne Prävention setzt auf Sensibilisierung und Frühintervention – nicht auf Tabuisierung.
Fazit
Das Sexualstrafrecht schützt die intimsten Persönlichkeitsrechte des Menschen – die sexuelle Selbstbestimmung und Integrität. Der Rechtsbereich hat sich mit der Gesellschaft weiterentwickelt und reagiert auf neue Herausforderungen wie digitale Missbrauchsinhalte oder veränderte Formen sexueller Gewalt.
Wichtig ist, dass das Strafrecht sensibel, aber entschlossen gehandhabt wird. Opfer benötigen Schutz und Unterstützung, während Beschuldigte das Recht auf ein faires Verfahren haben. Zwischen diesen Polen muss das Sexualstrafrecht vermitteln und die richtige Balance herstellen.
Natürlich können die hier dargestellten Informationen nur einen oberflächlichen und gekürzten Eindruck vermitteln und ersetzen keinesfalls eine individuelle und konkrete Beratung. Sofern Sie eine solche wünschen, kontaktieren Sie uns gerne. Über unsere Notfallnummer sind wir bei Bedarf auch rund um die Uhr für Sie erreichbar.