Einleitung
Die biometrische Entsperrung von Smartphones, wie zum Beispiel durch Face ID oder Fingerabdrucksensoren, hat die Sicherung unserer Mobiltelefone revolutioniert. Die neuen Techniken sind dabei sehr komfortabel und bieten die Möglichkeit, Smartphones, Tablets und vergleichbare Geräte bequem und ohne das Risiko, sein Passwort zu vergessen, zu entsperren. Teilweise gelingt dies zwischenzeitlich sogar unter erschwerten Bedingungen, wie etwa die Entsperrung per Face ID trotz einer aufgesetzten Mund-Nasen-Maske.
Obwohl die Technologie schnell und bequem ist, gibt es jedoch auch kritisch zu hinterfragende Aspekte, insbesondere im Kontext von Strafverfahren, bei denen eine Entsperrung des Smartphones gegen den Willen des Beschuldigten angeordnet wird.
Aktuelle Gerichtsurteile haben sich bereits mit den Risiken und insbesondere den Rechten der Beschuldigten bei der biometrischen Entsperrung auseinandergesetzt. In diesem Zusammenhang werfen wir nachfolgend einen kurzen Blick auf die Rechtslage in Deutschland und die Auswirkungen einer aktuellen Entscheidung des Landgerichts Ravensburg.
Im betreffenden Fall weigerte sich nämlich ein Beschuldigter, sein Smartphone per Fingerabdruck zu entsperren. Die Verweigerung führte zu einer gerichtlichen Anordnung, die wir im Folgenden etwas näher betrachten wollen.
Rechtslage in Deutschland
Gemäß § 81b Abs. 1 der Strafprozessordnung (StPO) sind erkennungsdienstliche Maßnahmen durch die Polizei zulässig, um Straftaten aufzuklären. Die entsprechende Vorschrift lautet:
„§ 81b Erkennungsdienstliche Maßnahmen bei dem Beschuldigten
Soweit es für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens oder für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist, dürfen Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden.“
Wie sich dem Wortlaut entnehmen lässt, sieht dieser das Szenario einer Entsperrung von beispielsweise Smartphones per Fingerabdruck oder gar Face ID nicht explizit vor. Die Formulierung „...Messungen und ähnliche Maßnahmen...“ zeigt jedoch bereits, dass die Vorschrift möglicherweise weiter zu fassen ist, als der reine Wortlaut zunächst vermuten lässt.
Die Entscheidung des Landgerichts Ravensburg
Das Landgericht Ravensburg hat in einer aktuellen Entscheidung festgestellt, dass die Entsperrung eines Smartphones durch Nutzung des Fingerabdrucksensors als eine erkennungsdienstliche Maßnahme (konkret als eine „ähnliche Maßnahme“) im Sinne des § 81b Abs. 1 StPO gilt.
Es handele sich um einen „technikoffenen“ Ansatz des Gesetzeswortlauts, so das Gericht in seiner Entscheidung. Die „ähnlichen Maßnahmen“ seien vom Gesetzgeber bewusst als Auffangtatbestand aufgenommen worden. Und die Entsperrung eines Smartphones per Fingerabdrucksensor sei letztlich eine Identifizierungsfunktion, die als Zwischenziel dazu diene, die für den Nachweis einer Straftat erforderlichen gespeicherten Daten zu erlangen.
Ob die Maßnahme tatsächlich auch notwendig sei, sei hingegen eine Frage der Verhältnismäßigkeit. An der grundsätzlichen Erfassung derartiger Maßnahmen durch § 81b Abs. 1 StPO ändere dies jedoch nichts.
Ungeachtet der vorstehenden Aussagen hat sich das Gericht nicht ausdrücklich dazu geäußert, ob und inwieweit auch die Entsperrung des Smartphones via Face ID von § 81b Abs. 1 StPO erfasst ist. Es spricht jedoch viel dafür, dass es hier keinen relevanten Unterschied zu der Entsperrung per Fingerabdrucksensor gibt und auch die Entsperrung des Gerätes per Face ID Methode als „ähnliche Maßnahme“ zu erfassen wäre.
Auswirkungen des Urteils
Das Urteil hat eine kontroverse Debatte über die Rechtmäßigkeit der biometrischen Entsperrung von Smartphones ausgelöst. Die künftige (unfreiwillige) Nutzung von Fingerabdrucksensoren, Face ID und ähnlichen Technologien könnte ihre jeweilige Verbreitung einschränken.
Biometrische Daten sind sehr persönlich und können leicht missbraucht werden, was wiederum die informationelle Selbstbestimmung beeinträchtigen könnte.
Darüber hinaus zeigt die Auslegung des Gesetzestextes durch das Landgericht Ravensburg, dass biometrische Methoden zur Entsperrung von Smartphones zwar einen Eingriff in die Grundrechte des Beschuldigten darstellen können und daher immer die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs geprüft werden muss. Regelmäßig wird das Recht auf informationelle Selbstbestimmung jedoch hinter dem Interesse der Allgemeinheit auf eine effektive Strafverfolgung zurückstehen.
Es ist daher künftig grundsätzlich damit zu rechnen, dass Smartphones, Tablets oder ähnliche Geräte im Rahmen von Strafverfahren auch gegen den Willen des Beschuldigten per biometrischer Methode entsperrt werden.
Alternativen zur biometrischen Entsperrung
Passwörter gelten als weitgehend sicherere Alternative zur biometrischen Entsperrung und können gegen den Willen des Passwortinhabers nur schwerlich in Erfahrung gebracht werden. Allerdings besteht in der generellen Nutzung immer das Risiko, dass sie von Dritten abgefangen werden können. Im Hinblick auf Bequemlichkeit sind sie zudem deutlich weniger komfortabel als die biometrische Entsperrung. Und letztlich wird sich auch eine Sperrung mit einem Passwort bei Bedarf immer durch eine entsprechende gesetzliche Anordnung umgehen lassen.
Üblicherweise besteht die Möglichkeit, die biometrischen Entsperrungsoptionen auf Smartphones zu deaktivieren, um eine Passwort-Entsperrung zu erzwingen. Beide Methoden haben Vor- und Nachteile, die durch den Nutzer des Gerätes individuell abgewogen werden müssen.
Die strafrechtliche Einordnung unterscheidet sich im Ergebnis vermutlich nicht signifikant.
Fazit
Das Landgericht Ravensburg hat in Bezug auf biometrische Entsperrmethoden von Smartphones in Deutschland eine klare Entscheidung gefällt.
Die Auswirkungen auf die Verbreitung von Face ID und ähnlichen Technologien sowie auf die informationelle Selbstbestimmung sind jedoch aktuell noch unklar. Auch ist derzeit nicht abschließend abzusehen, ob andere Gerichte dem Landgericht Ravensburg folgen werden.
Es existieren Alternativen zur biometrischen Entsperrung, die je nach individuellen Bedürfnissen und Risiken gewählt werden können. Letztlich ist es entscheidend, im digitalen Zeitalter die eigenen Rechte und den Schutz persönlicher Daten zu beachten.
Als auf das Strafrecht spezialisierte Kanzlei mit langjähriger Erfahrung beraten wir Sie gerne auch zu diesem Thema umfassen, individuell und kompetent.