Alkohol am Steuer und der „Idiotentest“ – Bundesverwaltungsgericht fällt Urteil zur Zulässigkeit einer MPU
Das Bundesverwaltungsgericht hat mit seiner Entscheidung vom 17. März 2021 (BVerwG 3 C 3.20) eine interessante Entscheidung zu einem Thema getroffen, das im Bereich des Verkehrsstrafrechts eine Rolle spielt und schon so manchen Autofahrer Nerven gekostet haben dürfte – die medizinisch-psychologische Untersuchung, kurz MPU, oder umgangssprachlich gerne auch „Idiotentest“ genannt.
Gerade noch gemütlich mit den Freunden zusammengesessen und das eine oder andere Glas Wein genossen, kann die entspannte Atmosphäre auf der Heimfahrt ganz schnell vorbei sein, wenn die Polizei den Weinfreund anhält und einen erhöhten Alkoholpegel feststellt. Neben einem Bußgeld und Punkten im Fahreignungsregister (gerne auch „Punkte in Flensburg“ genannt, da die zuständige Behörde – das Kraftfahrt-Bundesamt oder KBA– seinen Sitz in Flensburg hat), kann in diesen Fällen nämlich auch der Entzug der Fahrerlaubnis und damit verbunden eine MPU die Folge sein.
Die MPU gibt es im deutschen Recht bereits seit rund 70 Jahren. Ihr Sinn und Zweck ist es, die Fahreignung des Antragsstellers festzustellen. Aus diesem Grund wird im Rahmen der MPU eine Prognose darüber angestellt, wie sich der Betreffende zukünftig im Verkehr verhalten wird. Je nachdem, wie die Prognose ausfällt (positiv oder negativ), entscheidet die zuständige Behörde anschließend, ob der Antragssteller seinen Führerschein neu erteilt bekommt oder nicht.
Kleiner Exkurs: Im Übrigen kann eine MPU sogar auch von Personen gefordert werden, die gar keinen Führerschein besitzen: Fällt ein Fahrradfahrer mit einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 1,6 Promille im Verkehr auf, so kann auch in derartigen Fällen eine MPU gefordert und bei negativem Ausgang (also einer negativen Prognose) ein Verbot zum Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen (wie Fahrrad oder Mofa) ausgesprochen werden.
Die rechtliche Grundlage der MPU findet sich in § 13 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (FeV), in dem es unter anderem heißt:
„Zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Erteilung oder Verlängerung der Fahrerlaubnis oder über die Anordnung von Beschränkungen oder Auflagen ordnet die Fahrerlaubnisbehörde an, dass […]
2. ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen ist, wenn nach dem ärztlichen Gutachten zwar keine Alkoholabhängigkeit, jedoch Anzeichen für Alkoholmissbrauch vorliegen oder sonst Tatsachen die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen, […]
ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr oder einer Atemalkoholkonzentration von 0,8 mg/l oder mehr geführt wurde, […]“
Die dem Urteil zugrunde liegende Fragestellung
Das Bundesverwaltungsgericht hatte sich in dem dem Urteil zugrundeliegenden Fall mit der Frage zu befassen, ob eine MPU auch dann angeordnet werden kann, wenn bei einem Autofahrer eine Blutalkoholkonzentration von 1,3 Promille gemessen wird, jedoch keine alkoholbedingten Ausfallentscheidungen festzustellen sind.
Der Ausgangsfall
Bereits im November 2016 hatte der Kläger an einem vermutlich kalten Wintertag das eine oder andere Glas (gegebenenfalls auch wärmenden) Alkohol konsumiert. Ungeachtet dessen war er der Ansicht, durchaus noch fahrtüchtig zu sein, setzte sich daher zu später Stunde in sein Auto und fuhr los. Ungeplant kam er im Rahmen dieser Fahrt jedoch in eine allgemeine Verkehrskontrolle, bei der eine Blutalkoholkonzentration von doch immerhin 1,3 Promille festgestellt wurde. Nicht unerwähnt sei an dieser Stelle, dass der Kläger bis dahin noch nie im Straßenverkehr auffällig geworden war und es sich somit um einen „Ersttäter“ handelte.
In der Folge wurde der Kläger vom Strafgericht aufgrund von fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr (§ 316 Abs. 1 und 2 Strafgesetzbuch) zu einer Geldstrafe sowie zusätzlich auch dem Entzug der Fahrerlaubnis verurteilt. Eine Wiederbeantragung des Führerscheins sollte nach neun Monaten möglich sein. Doch als der Kläger nach den besagten neun Monaten den Antrag auf Erteilung seiner Fahrerlaubnis stellt, wird er böse überrascht: Die Behörde teilt ihm nämlich mit, dass sie den Führerschein erst im Anschluss an eine positive MPU wieder erteilen werde.
Dies möchte der Kläger nicht akzeptieren und argumentiert, dass § 13 FeV die Anordnung einer MPU erst ab einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille vorsehe. Bei ihm hingegen habe die Konzentration lediglich 1,3 Promille betragen.
Die Behörde lässt sich von dieser Argumentation nicht überzeugen und kontert damit, dass der Kläger bei der Verkehrskontrolle – trotz einer Blutalkoholkonzentration von 1,3 Promille – keinerlei Ausfallserscheinungen gezeigt habe. Dies ließe daher darauf schließen, dass der Kläger durchaus an größere Mengen Alkohol gewöhnt sei und daher sonstige Tatsachen vorliegen, die die Annahme eines Alkoholmissbrauchs rechtfertigen und die Anordnung einer MPU zulassen (§ 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a FeV).
Der Instanzenzug
Den Kläger überzeugt die Argumentation der Behörde genauso wenig wie die Vorstellung, sich einer MPU zu unterziehen. Aus diesem Grund wendet er sich an das Verwaltungsgericht in Kassel und versucht auf dem Klageweg die Behörde dazu zu bewegen, ihm seinen Führerschein auch ohne MPU wieder zu erteilen. Das Verwaltungsgericht in Kassel lehnt die Klage jedoch ab und bestätigt damit die Rechtsauffassung der Behörde.
Im Zuge der Berufung wendet sich der Kläger daraufhin an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof. Dieser entscheidet nun tatsächlich zu seinen Gunsten und stellt fest, dass in der Situation des Klägers (einmalige Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,3 Promille) das Fehlen von Ausfallerscheinungen nicht ausreiche, um eine „sonstige Tatsache“ im Sinne von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV zu begründen und damit die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis in Abhängigkeit zu einer positiven MPU zu setzen. Vielmehr – so der Hessische Verwaltungsgerichtshof – habe der Verordnungsgeber diesen Aspekt bereits bei der Festlegung der 1,6 Promille-Grenze gemäß § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV berücksichtigt.
Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG)
Das BVerwG hat mit seinem Urteil vom 17. März 2021 dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof widersprochen und festgestellt, dass die Forderung der Behörde nach einer MPU berechtigt war. Demnach handelte die Behörde rechtmäßig, als sie die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis vom positiven Ausgang einer MPU abhängig machte bzw. die Fahrerlaubnis – mangels der Vorlage eines dementsprechenden Gutachtens – nicht wieder erteilte.
Die Begründung des Bundesverwaltungsgerichts
Seine Entscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht in erster Linie damit begründet, dass (anders als es der Hessische Verwaltungsgerichtshof argumentierte) von der Promille-Grenze gemäß § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV keine „Sperrwirkung“ ausgehe. Insbesondere könne daraus nicht geschlossen werden, dass bei Nichterreichung der Grenze von 1,6 Promille Blutalkoholkonzentration ein Rückgriff auf § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV per se ausscheide. Gerade bei Personen, die in einem hohen Maß an den Genuss von Alkohol gewöhnt seien, bestünde eine erhöhte Rückfallgefahr. Auch sei es typisch, dass diese Personen sich mit einer realistischen Einschätzung ihrer Fahrtüchtigkeit schwer tun würden. Das Fehlen der Ausfallentscheidungen bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,3 Promille sei daher durchaus eine sonstige Tatsache gemäß § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV, die die Anordnung einer MPU rechtfertige.
Etwas losgelöst vom konkreten Ausgangsfall äußerte das Bundesverwaltungsgericht ergänzend, dass nach aktuellem Stand der Wissenschaft sogar dann von einer Alkoholgewöhnung (mit entsprechend berechtigter Anordnung einer MPU) auszugehen sei, wenn bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,1 Promille (und nicht wie beim Kläger erst ab 1,3 Promille) keine Ausfallerscheinungen auftreten würden.
Welche Konsequenzen hat das Urteil?
Nachdem die Frage, ob eine MPU auch bei einer Blutalkoholkonzentration von unter 1,6 Promille (jedoch mehr als 1,1 Promille) und dem Fehlen alkoholbedingter Ausfallerscheinungen angeordnet werden kann, durch das BVerwG positiv beantwortet wurde, dürften die zuständigen Behörden künftig vermehr von dieser Möglichkeit Gebrauch machen.
Für Autofahrer bedeutet dies im Zweifel erhöhte Anforderungen bei der Wiedererlangung der Fahrerlaubnis. Aus diesem Grund empfehlen wir Ihnen, falls Ihnen die Fahrerlaubnis entzogen werden soll, möglichst frühzeitig hiergegen vorzugehen und so optimalerweise bereits den Entzug der Fahrerlaubnis zu vermeiden. Sollte dies nicht gelingen, gilt es, bei der Wiederbeantragung besonnen vorzugehen. Lässt sich eine MPU nicht vermeiden, sollten Sie sich hierauf so gut wie möglich vorbereiten und das Ergebnis der MPU nicht dem Zufall überlassen.
Wir beraten Sie in allen genannten Situationen – von der Feststellung der Trunkenheit im Verkehr bis hin zur MPU – individuell und kompetent und unterstützen Sie dabei, Ihren Führerschein zu behalten oder jedenfalls schnellstmöglich wiederzubekommen. Kontaktieren Sie uns jederzeit gerne.