Videodokumentation von Strafverhandlungen

4 Minuten Lesezeit 24.08.2023
Videodokumentation von Strafverhandlungen

Wie die moderne Technik voraussichtlich einen weiteren Schritt in den Gerichtssaal macht

Auch wenn die Technik – mit allen ihren Vor- und Nachteilen – bereits weiträumig in die deutschen Gerichte eingezogen ist, soll es diesbezüglich künftig noch einen weiteren erheblichen Entwicklungsschritt im Rahmen von strafrechtlichen Verhandlungen vor einem Land- oder Oberlandesgericht geben.

Im Raum steht die vollständige Videodokumentation der Hauptverhandlung in Strafverfahren vor einem Land- oder Oberlandesgericht, die nun in einem Gesetzesentwurf des Bundesministeriums der Justiz angedacht ist.

Thema nicht ganz neu – aber auch nicht ganz unumstritten

Ganz neu ist dieses Thema in der Justiz nicht. Bereits seit geraumer Zeit pochen die Befürworter dieses Vorgehens auf die damit einhergehenden Vorteile: Ungenauigkeiten könnten hierdurch vermieden werden; dem Gedächtnis der Richter, Staatsanwälte und Verteidiger bei langwierigen Prozessen, die sich mitunter über mehrere Monate ziehen, auf die Sprünge geholfen werden. In anderen Ländern wird dieses Verfahren bereits seit geraumer Zeit erfolgreich praktiziert.

Auf der anderen Seite stehen im Wesentlichen erhebliche Kosten, um die Gerichtssäle mit der erforderlichen Technik auszustatten sowie Bedenken hinsichtlich der Vertraulichkeit bestimmter Verfahren und dem Umfang der dann im Rahmen der Urteilsfindung zu sichtenden Informationsflut.

Spannende Fragen auch im Kontext der Revision

Spannende Fragen wirft das Thema auch im Kontext einer Revision auf. Geht es bei dieser aktuell ausschließlich um Rechts- und explizit nicht mehr um Tatsachenfrage, würde eine vorliegende Videodokumentation aus der Hauptverhandlung möglicherweise dazu verlocken, doch auch die Tatsachen noch einmal in Frage zu stellen. Schließlich könnte ein Blick in die Videoaufnahme die Fragen ja zügig einer Klärung zuführen.

So sieht die Planung aus

Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass sowohl an Land- als auch an Oberlandesgerichten durchgeführte strafrechtliche Hauptverhandlungen in der ersten Instanz mit Ton und Bild aufgezeichnet werden. Darüber hinaus soll eine Software die Audiodatei in ein schriftliches Protokoll umwandeln. Allen Prozessbeteiligten (Verteidiger, ggf. Nebenkläger, Staatsanwaltschaft) soll jeweils unmittelbar nach dem durchgeführten Verhandlungstag der Zugang zu dem aufgezeichneten Video und zum transkribierten Protokoll zur Verfügung gestellt werden.

Die Aufnahmen von vernommenen Zeugen, die nicht erkannt werden sollen, können durch eine Verpixelung des Zeugen nachbearbeitet werden.

Die Vertraulichkeit der Aufzeichnungen soll dadurch gewährleistet werden, dass die unberechtigte Weitergabe derselben künftig einen Straftatbestand darstellt.

Was spricht gegebenenfalls noch für oder auch gegen die geplante Videoaufzeichnung?

Befasst man sich etwas intensiver mit den Vor- und Nachteilen der geplanten Videoaufzeichnung, dann lassen sich durchaus noch einige Aspekte in die Waagschale werfen.

Kontra

Auf der „Kontra-Seite“ lässt sich etwa anführen, dass die vorhandene Technik sowie das damit einhergehende Wissen um die Aufzeichnung möglicherweise dazu führen könnte, dass die Prozessbeteiligten – insbesondere die Zeugen – sich nicht vollkommen frei fühlen und dass dies sogar Einfluss auf ihr Verhalten bzw. ihre Aussage haben könnte.

Zudem mag die angedachte Strafbarkeit der unberechtigten Weitergabe der Aufzeichnung zwar abschreckenden Charakter haben. Letztlich wird man aber auch hierdurch vermutlich nicht vollumfänglich ausschließen können, dass die Aufzeichnungen von Hauptverhandlungen weiterverbreitet und gegebenenfalls sogar in soziale Netzwerke eingestellt werden. Die Konsequenzen für die am Verfahren beteiligten Personen wären in diesem Fall kaum absehbar.

Pro

Positiv lässt sich anführen, dass sich die Prozessbeteiligten bei einer Videoaufzeichnung deutlich mehr auf die Verhandlung an sich fokussieren können – das Mitschreiben und Notizen machen entfällt schlicht. Darüber hinaus ist eine Videoaufzeichnung zweifelsohne genauer und umfänglicher, als jede handschriftliche Notiz. Dies kann gerade bei langwierigen Prozessen ein enormer Vorteil sein.

Schließlich bieten moderne Suchfunktionen innerhalb der transkribierten Texte hervorragende Filter- und Suchfunktionen und erleichtern auf diese Weise die Arbeit.

Auch bei einem möglicherweise erforderlichen Richterwechsel kann die Videoaufzeichnung herangezogen und eine Wiederholung der Hauptverhandlung, bzw. der bereits durchgeführten Verhandlungstage, vermieden werden.

Weiterer Ausblick

Der Gesetzesentwurf wird in den kommenden Wochen den üblichen Weg eines Gesetzgebungsverfahrens nehmen. Besonders intensiv dürfte dabei das Thema der Finanzierung diskutiert werden. Alle in Frage kommenden Gerichtssäle mit der entsprechenden technischen Ausstattung zu versehen, ist schließlich keine Kleinigkeit.

Daneben dürften auch diverse Detailfragen – etwa hinsichtlich der genauen Aufbewahrungs- bzw. Löschungsfristen, zur Debatte stehen.

Die Wahrscheinlichkeit, dass sich das Verfahren jedoch grundsätzlich durchsetzt und vermutlich ab 2025/2026 dann auch tatsächlich Einzug in deutsche Gerichtssäle findet, ist aber im Grundsatz sehr hoch.

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