Einleitung
Der nachfolgende Beitrag soll sich mit dem seit dem 1. April 2024 in Kraft getretenen Cannabisgesetz (CanG) befassen und aufzeigen, wie es dazu kam, was damit bezweckt werden soll und was gemäß dem Gesetz nun erlaubt oder eben auch (weiterhin) strafbar ist.
Der Hintergrund des CanG
1. Der Koalitionsvertrag vom 24.11.2021
Die Koalitionsparteien der seit 2021 regierenden Ampelkoalition – SPD, Grüne und FDP – haben sich in ihrem Koalitionsvertrag vom 24.11.2021 wie folgt verständigt:
"Wir führen die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften ein. Dadurch wird die Qualität kontrolliert, die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindert und der Jugendschutz gewährleistet. Das Gesetz evaluieren wir nach vier Jahren auf gesellschaftliche Auswirkungen."
Nur ein knappes Jahr später, legte das Bundesministerium für Gesundheit am 22.10.2022 ein Eckpunktepapier zur Einführung einer kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken vor.
2. Das Eckpunktepapier
Das 12 Seiten umfassende Eckpunktepapier zeigt bereits recht detailliert den europarechtlichen sowie den nationalen Rechtsrahmen auf, in dem die Änderungen zu erfolgen haben. Zudem beschreibt es, welche Formen von Cannabis in welchen Mengen und zu welchen Zwecken zugelassen werden sollen.
Auch Fragen zu Vertriebsstätten, Werbung, Kennzeichnungspflichten, dem Kinder- und Jugendschutz, Prävention, dem Anbau, dem Vertrieb und der Besteuerung werden behandelt.
3. Der Referentenentwurf
Ein entsprechender Referentenentwurf wurde vom Bundesministerium für Gesundheit am 06.07.2023, also rund ein dreiviertel Jahr später, vorgelegt.
Bedenken aus Brüssel sowie der Kinder- und Jugendpsychologen
Noch im Sommer 2023 äußerten verschiedene Verbände und Vereine, die sich dem Schutz von Kindern und Jugendlichen widmen, in einer gemeinsamen Stellungnahme erhebliche Bedenken gegen das geplante Gesetz. Die Legalisierung von Cannabis führe zu einer Gefährdung junger Menschen und sei keinesfalls zu unterstützen. Einer der Hauptkritikpunkte lautete dabei, dass die Legalisierung von Cannabis dazu führen würde, dass Gefahren und negative Folgen des Cannabis-Konsums verharmlost würden. Die damit einhergehenden Risiken würden nicht ausreichend wahrgenommen werden.
Auch die EU-Kommission äußerte Bedenken gegen das geplante Gesetz. Es verstoße gegen verschiedene internationale Abkommen sowie die Vorgaben der Europäischen Union.
Im Nachgang zu verschiedenen Gesprächen auf europäischer Ebene, entwickelte das Bundesministerium für Gesundheit das sogenannte „2-Säulen-Modell“. Es sieht vor, dass in einem ersten Schritt der Anbau von Cannabis in nicht-gewinnorientierten Vereinigungen sowie auch der private Eigenanbau bundesweit ermöglicht werden sollen. Erst in einem zweiten Schritt soll die Abgabe in Fachgeschäften in Form eines wissenschaftlich konzipierten, regional begrenzten und befristeten Modellvorhaben umgesetzt werden.
Das Gesetzgebungsverfahren
Auf der Grundlage des erwähnten 2-Säulen-Modells beschloss die Bundesregierung im August 2023 einen entsprechend angepassten Gesetzesentwurf. Erhebliche Kritik kam jedoch auch weiterhin von verschiedenen Seiten, unter anderem aus der CDU/CSU-Fraktion sowie aus der AfD.
Gestützt auf einen technischen Bericht über die Auswirkungen der Legalisierung von Cannabis, der am Institut für interdisziplinäre Sucht- und Drogenforschung (ISD) erstellt wurde, reklamierten CDU und CSU, dass die geplante Legalisierung zu einer erheblichen Ausweitung des Cannabiskonsums führen würde.
Im Anschluss an diverse Anhörungen, weitere Anpassungen am Gesetzesentwurf und einer Verschiebung des geplanten Starttermins, beschloss der Bundestag am 23.02.2024 nach weiterhin kontrovers geführten Diskussionen das Cannabisgesetz. Der Bundesrat stimmte selbigem am 22.03.2024 zu.
Zum Stichtag 01.04.2024 ist das Gesetz nunmehr in Kraft getreten.
Das Gesetz im Einzelnen
Das insgesamt 44 Paragraphen umfassende und zum Teil äußerst bürokratische Gesetz beinhaltet eine Vielzahl von Regelungen zu den unterschiedlichsten Aspekten im Umgang mit Cannabis. Nachstehend finden Sie eine Übersicht über einige der interessantesten Regelungen. Ungeachtet dessen sei darauf hingewiesen, dass das Gesetz noch deutlich mehr Regelungsinhalte umfasst und zum Teil äußerst detailliert auf Anforderungen, Verbote und Erlaubnisse eingeht.
1. Legalisierung des Cannabiskonsums
Wie bereits im Koalitionsvertrag angedacht, wird der Konsum von Cannabis legalisiert. Dies gilt jedoch nicht uneingeschränkt, sondern – auf der Grundlage des 2-Säulen-Modells – nur in bestimmten Grenzen.
a. Privatpersonen
So ist es Privatpersonen nunmehr gestattet, bis zu maximal drei lebende Cannabispflanzen und bis zu 50 Gramm trockener Blüten zu besitzen.
b. Anbauvereinigungen
Zudem gibt es im Gesetz umfassende Regelungen für sogenannte Anbauvereinigungen. Hierbei handelt es sich um rechtlich eingetragene Vereine (es darf also keine Gewinnerzielungsabsicht vorliegen) mit maximal 500 Mitgliedern.
Die Anbauvereinigungen bedürfen einer gesonderten Erlaubnis, wozu wiederum die Erfüllung diverser Voraussetzungen, unter anderem die Benennung eines Präventionsbeauftragten und die Vorlage eines Jugendschutzkonzeptes erforderlich ist.
Den Anbauvereinigungen ist es gestattet, Cannabis in bestimmten Grenzen gemeinschaftlich anzubauen und an ihre Mitglieder zum Eigenkonsum weiterzugeben.
Dabei ist jedoch zu beachten, dass an jedes Mitglied, das das 21. Lebensjahr vollendet hat, höchstens 25 Gramm Cannabis pro Tag und höchstens 50 Gramm pro Kalendermonat zum Eigenkonsum weitergeben werden dürfen.
An Heranwachsende, also Personen im Alter zwischen 18 und 21 Jahren, dürfen Anbauvereinigungen höchstens 25 Gramm Cannabis pro Tag und höchstens 30 Gramm Cannabis pro Kalendermonat weitergeben werden. Das Cannabis, das an Heranwachsende weitergegeben wird, darf zudem einen THC-Gehalt von 10 Prozent nicht überschreiten.
c. Edibles
Edibles, also Nahrungsmittel, denen Cannabis beigesetzt wurde, sind auch weiterhin verboten. Kekse oder Süßigkeiten mit Cannabis-Extrakten sind demnach illegal.
2. Kinder-/Jugendschutz
Zum Schutz von Kindern und Jugendlichen sind eine ganze Reihe unterschiedlicher Maßnahmen vorgesehen. Hierzu zählen unter anderem:
- Kein Zugang zu Anbauvereinigungen für Personen unter 18 Jahren
- Verbot des Besitzes und des Konsums von Cannabis für Minderjährige
- Verbot des Konsums von Cannabis in Schulen und in deren Sichtweite, auf Kinderspielplätzen und in deren Sichtweite, in Kinder- und Jugendeinrichtungen und in deren Sichtweite, in öffentlich zugänglichen Sportstätten und in deren Sichtweite, in Fußgängerzonen zwischen 7 und 20 Uhr und innerhalb des befriedeten Besitztums von Anbauvereinigungen und in deren Sichtweite
Die Sichtweite wird dabei jeweils mit einem Abstand von 100m vom Eingangsbereich der Einrichtung angenommen.
3. Werbe- und Sponsoringverbot
Jede Form der Werbung und des Sponsorings für Cannabis oder auch für Anbauvereinigungen sind untersagt.
Strafrechtliche Einordnung
1. Strafbarkeit
Eine Strafbarkeit im Kontext von Cannabis ist insbesondere dann gegeben, wenn eine Privatperson mehr als die erlaubten drei Cannabispflanzen oder mehr als 60g trockener Blüten besitzt. Bei einem Besitz außerhalb der eigenen Wohn- bzw. Aufenthaltsräume reichen bereits 30g trockener Blüten für eine Strafbarkeit aus.
Daneben sind auch der Handel, die Ein- und Ausfuhr, die Ab- und Weitergabe sowie diverse weitere Tätigkeiten im Zusammenhang mit Cannabis strafbewährt, soweit diese nicht explizit durch das CanG gestattet werden.
Der Strafrahmen für die genannten Straftaten liegt bei einer Freiheitsstrafe von bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe.
2. Besonders schwere Fälle, Sonderfälle
Bei besonders schweren Fällen wird der Strafrahmen auf eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren angehoben. Als Regelbeispiele nennt das Gesetz insbesondere die gewerbsmäßige Begehung der Straftat, die Gefährdung der Gesundheit mehrerer Menschen durch die Straftat, die Abgabe von Cannabis durch eine Person über 21 Jahre an ein Kind oder eine jugendliche Person sowie die Begehung der Tat in Bezug auf eine nicht geringe Menge Cannabis.
Was genau eine nicht geringe Menge Cannabis gemäß dem neuen CanG ist, werden die Gerichte noch zu entscheiden haben. Es bleibt abzuwarten, ob die bislang geltende Grenze von 7,5g THC auch weiterhin zur Anwendung kommt. Es sprechen jedoch gute Gründe dafür, dass der Wert anzuheben ist.
Schließlich gibt es auch weiterhin spezielle Strafbarkeitsregelungen bezüglich des bandenmäßigen Handels mit Cannabis (hier liegt der Strafrahmen bei einer Freiheitsstrafe zwischen zwei und 15 Jahren). Gleiches gilt für den Fall, dass der Cannabishandel mit einer Waffe betrieben wird.
3. Vergleich zur alten Rechtslage
Zieht man einen Vergleich zwischen den Straftatbeständen nach der alten Rechtslage, also gemäß dem Betäubungsmittelgesetz, und der neuen Rechtslage nach dem Cannabisgesetz, so lässt sich feststellen, dass die Strafen nun insgesamt milder angesetzt wurden.
4. Ordnungswidrigkeiten
Neben den Straftaten sieht das CanG auch verschiedene Handlungen vor, die als Ordnungswidrigkeiten eingestuft werden. Hierzu gehören unter anderem die geringfügige Überschreitung der erlaubten Menge Cannabis im privaten Bereich sowie zum Beispiel auch ein Verstoß gegen das Werbeverbot oder die Regelung, dass jede Person nur Mitglied in maximal einer Anbauvereinigung sein darf.
Bei Verwirklichung einer der Ordnungswidrigkeiten drohen Geldbußen in Höhe von bis zu 10.000 Euro beziehungsweise 30.000 Euro (je nachdem, welche der Ordnungswidrigkeiten begangen wurde).
Konsequenzen für laufende Strafverfahren sowie bestehende Eintragungen in das Zentralregister
Nachdem sich die Rechtslage in Bezug auf den Konsum, den Besitz und den Handel von und mit Cannabis derart grundlegend geändert hat, stellt sich die naheliegende Frage, welche Konsequenzen diese Änderungen für laufende Strafverfahren sowie auch für bestehende Eintragungen im Zentralregister haben.
Das CanG ist zum 1. April 2024 in Kraft getreten. Das bedeutet, dass seit diesem Datum die neue Rechtslage Anwendung findet. Für laufende Straf- oder auch Ermittlungsverfahren führt dies dazu, dass diese zu beenden sind.
Interessant sind auch die in den §§ 40 bis 42 CanG enthaltenen Regelungen zur Tilgung von Eintragungen aus dem Zentralregister. Danach ist es grundsätzlich möglich, bestehende Eintragungen wegen früherer Verurteilungen aufgrund des (nunmehr legalisierten) Besitzes oder Anbaus von Cannabis in den erlaubten Mengen löschen zu lassen.
Als Experten für Strafrecht unterstützen und beraten wir Sie gerne bei den entsprechenden Anträgen oder sorgen dafür, dass ein gegebenenfalls gegen Sie laufendes Verfahren eingestellt wird.
Ausblick
Bereits zum jetzigen Zeitpunkt und somit noch nicht einmal einen Monat nach dem Inkrafttreten des CanG zeichnet sich ab, dass es Änderungsbedarfe an dem neuen Gesetz gibt.
Neben der im Rahmen des 2-Säulen-Modells vorgesehenen Modellversuche bezüglich einer Abgabe von Cannabis in Fachgeschäften sowie der im Gesetz vorgesehenen Evaluierung desselben (§ 43 CanG), soll es wohl Anpassungen hinsichtlich der Details der Evaluierung geben. Auch Anpassungen bezüglich der Regelungen für Anbauvereinigungen sind in der Diskussion.
Es bleibt demnach spannend. Als Ihre Strafverteidiger behalten wir selbstverständlich alle Entwicklungen und Anpassungen im Blick und sind jederzeit auf dem aktuellen Stand, um sie kompetent und erfolgreich zu beraten.