Einleitung
In den letzten Jahren hat die Diskussion über die Strafen für Kinderpornographie in Deutschland an Fahrt aufgenommen. Doch sind die bisherigen Gesetze wirklich effektiv? Wir werfen einen kritischen Blick darauf.
Das Delikt der Kinderpornographie
Mit dem Straftatbestand des § 184b StGB wird die Verbreitung, der Erwerb und der Besitz kinderpornografischer Inhalte geahndet. Das bedeutet es geht um solche pornografischen Inhalte, bei denen die zu sehende Person jünger als vierzehn Jahre alt (und demnach ein Kind) ist. Ist die abgebildete Person hingegen älter als 14 Jahre alt, aber immer noch jünger als 18 Jahre alt, dann spricht man von jugendpornographischen Schriften, deren Strafbarkeit in § 184c StGB bestimmt ist.
Die Reform 2021
Um die Debatte nachvollziehen zu können, sollte man wissen, dass es im Jahr 2021 zu einer Gesetzesänderung betreffend den Kinderpornographie-Paragraphen – § 184b StGB – kam. Mit dieser wurde unter anderem das Mindeststrafmaß für das Delikt auf ein Jahr angehoben. Das bedeutet, dass die Straftat von einem Vergehen zu einem Verbrechen hochgestuft wurde. Diese Konsequenz ergibt sich aus § 12 Abs. 1 des Strafgesetzbuches, wonach Delikte, die im Mindestmaß mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr oder mehr bedroht sind, als Verbrechen gelten.
Man erhoffte sich durch die Änderungen insbesondere eine abschreckende Wirkung. Sie verfolgte also einen präventiven Ansatz und war durchaus mit guten Absichten versehen.
Rücknahme der Strafverschärfung: Die Notwendigkeit einer Veränderung
Die Politik erkennt nun jedoch an, dass die bisherigen Strafmaße – insbesondere das seit 2021 eingeführte Mindeststrafmaß – nicht immer den gewünschten Effekt erzielt haben. Deshalb ist eine Rücknahme der Strafverschärfung für Kinderpornographie dringend geboten.
Dies ergibt sich unter anderem auch aus dem Umstand, dass bis zu der Anpassung 2021 die Möglichkeit offenstand, Verfahren gemäß § 153 StPO einzustellen. Dies galt immer dann, wenn nur eine geringe Schuld und kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung bestand.
Auch eine Einstellung gemäß § 153a StPO, also in dem Fall, dass zwar schon ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht, diesem aber durch Auflagen oder Weisungen begegnet werden kann, war grundsätzlich möglich. Zudem bestand – im Gegensatz zu der Rechtslage seit 2021 – die Möglichkeit, ein begonnenes Strafverfahren durch einen Strafbefehl abzuschließen. Denn auch ein Strafbefehl (§ 407 StPO) ist nur dann zulässig, wenn es sich bei dem im Raum stehenden Delikt um ein Vergehen und nicht um ein Verbrechen handelt.
Warum nunmehr die erneute Absenkung der Mindeststrafen wichtig ist
Die bisherigen Strafmaße haben eher nicht die erhoffte Wirkung gezeigt. Es ist daher wichtig, sie an die Realität anzupassen und den Fokus auf effektive Maßnahmen zu legen.
Wie die Praxis die Theorie überholt
Besonders drastisch bekam diese Konsequenz eine Lehrerin aus Rheinland-Pfalz zu spüren.
In der guten Absicht einer Schülerin helfen zu wollen, die ein intimes Video von sich erstellt hatte, welches unerwünschte Verbreitung an der Schule fand, ließ sie sich das Video auf ihr Handy laden. Hierdurch verwirklichte sie bereits den Tatbestand des Besitzes kinderpornographischer Videos.
Und da eine Einstellung des Verfahrens bei einem Verbrechenstatbestand gerade nicht in Betracht kommt, musste die Staatsanwaltschaft zwingend Anklage gegen die Lehrerin erheben und droht ihr sowohl eine Freiheitsstrafe als auch sogar der Verlust des Beamtenstatus.
Das Beispiel zeigt, dass eine eigentlich gut gemeinte Anpassung des Gesetzes eine vollkommen unerwünschte Wirkung haben kann. Anstatt präventiv abschreckend zu wirken, erfährt eine Person die Härte des Gesetzes, die lediglich helfen wollte und alles andere als verwerfliche Absichten im Sinn hatte.
Für die Straftäter, auf die das Gesetz eigentlich abzielt hingegen, kommt das Mindeststrafmaß oftmals gar nicht in Betracht und ist dieses völlig irrelevant, da sie wegen mehrfacher Straftaten oder sehr schwerwiegender Straftaten ohnehin ein höheres Strafmaß erwartet.
Kritik an der bisherigen Strafverschärfung
Die Strafverschärfungen hatten somit zwar gute Absichten, aber sie brachten auch unerwünschte Nebeneffekte mit sich. So nachvollziehbar das Ansinnen ist, die Verbreitung kinderpornographischer Inhalte einzudämmen, so sehr zeigt doch die Praxis, dass es mit einer Anhebung des Mindeststrafmaßes beziehungsweise der Hochstufung von einem Vergehen zu einem Verbrechen nicht getan ist.
Ganz im Gegenteil: Durch die Heraufstufung zu einem Verbrechen und damit die zwingende Verfolgung jedes Vorgangs bei Vorliegen eines hinreichenden Tatverdachtes, mangelt es an Kapazitäten zur Verfolgung der wirklich schwerwiegenden Fälle. Kapazitäten werden unnötig gebunden und eine sinnvolle Priorisierung und Fokussierung ist nicht mehr möglich.
Unterstützung für die Reform: Politiker im Gleichklang
Es ist ermutigend zu sehen, dass Politiker verschiedener Parteien die Notwendigkeit einer Reform erkennen. Die Unterstützung aus verschiedenen politischen Lagern ist ein positives Signal.
Mitte November 2023 legte das Bundesministerium der Justiz einen Referentenentwurf vor, mit dem das Mindeststrafmaß nun doch wieder abgesenkt und der Straftatbestand somit wieder zu einem Vergehen herabgestuft werden soll.
An dem Höchststrafmaß hingegen soll keine Änderung vorgenommen werden.
Herausforderungen bei der Strafverfolgung: Jugendliche und das Internet
Die Strafverfolgung von Kinderpornographie ist komplex, besonders auch mit Blick auf jugendliche Straftäter in diesem Bereich und das heutzutage omnipräsente Internet. Es ist richtig, dass die Anzahl kinderpornographischer Delikte radikal zugenommen hat. Es ist jedoch falsch anzunehmen, dass es sich dabei durchgängig um Fälle handelt, die eines Verbrechens würdig sind und mit einem Mindeststrafmaß von einem Jahr geahndet werden sollten.
Nicht selten kommt es zu Situationen, in denen ein eigentlich als harmlos eingeschätztes oder auch nur für eine bestimmte Person vorgesehenen Bild oder Video auf einmal vollkommen ungewollt (etwa in der Schule) verbreitet wird und demnach eine Vielzahl von (jugendlichen) Personen hierdurch zu Straftätern wird.
Prävention und Aufklärung: Schlüssel zum Schutz von Kindern und Jugendlichen
Prävention und Aufklärung sind entscheidend, um Kinder und Jugendliche vor Kinderpornographie zu schützen. Eltern, Lehrer und die Gesellschaft insgesamt müssen sensibilisiert werden. Nur so kann es gelingen, dass – zum Teil auch völlig unbeabsichtigt – kinderpornographische Inhalte erstellt oder sogar verbreitet werden.
Fehlende Datenerhebung: Eine Lücke in der Kriminalpolitik
Die fehlende Datenerhebung erschwert eine fundierte Kriminalpolitik. Es ist erforderlich, diese Lücke bestmöglich zu schließen und bessere Daten zu sammeln.
Eine evidenzbasierte Politik ist unerlässlich, um effektiv gegen Kinderpornographie vorzugehen und gleichzeitig die Rechte der Bürger zu schützen.
Schlussfolgerung: Gemeinsam für eine bessere Zukunft
Die Debatte um Kinderpornographie-Strafen erfordert eine gründliche Überprüfung. Wir müssen sicherstellen, dass unsere Gesetze effektiv sind und trotzdem dabei auch die Rechte und den Schutz der Opfer beachten. Es liegt an uns allen, gemeinsam die Zukunft zu gestalten und Opfern und Tätern ein angemessenes und faires Verfahren zu ermöglichen.
Sollten Sie – sei es als Opfer oder auch als Täter – mit dem Delikt der Kinderpornographie in Berührung gekommen sein, stehen wir Ihnen jederzeit gerne beratend zur Seite. Gemeinsam mit Ihnen erörtern wir den Sachverhalt, prüfen die Handlungsoptionen und entwickeln eine Strategie zum weiteren Vorgehen.