Fahrerflucht - Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort

6 Minuten Lesezeit 22.10.2023
Fahrerflucht - Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort

Das unerlaubte Entfernen vom Unfallort ist im deutschen Strafgesetzbuch (StGB) in § 142 geregelt und wird auch als "Fahrerflucht" bezeichnet. Es handelt sich um eine Verkehrsunfallflucht, bei der eine Person, die an einem Verkehrsunfall beteiligt war, den Unfallort verlässt, ohne die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen.

Tatbestand des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (Fahrerflucht)

Der Tatbestand des unerlaubten Entfernens vom Unfallort gemäß § 142 StGB setzt sich aus verschiedenen Merkmalen zusammen:

Beteiligung am Verkehrsunfall: Der Täter muss in irgendeiner Form an einem Verkehrsunfall beteiligt gewesen sein. Hierbei handelt es sich um eine aktive Beteiligung, beispielsweise als Fahrer oder Fußgänger, der unmittelbar in den Unfall involviert ist.

Entfernung vom Unfallort: Nach dem Unfall darf der Täter den Ort des Geschehens nicht verlassen, ohne die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Diese Maßnahmen beinhalten das Anhalten, Helfen von Verletzten, das Austauschen von Kontaktdaten und das Warten auf die Polizei.

Fehlen eines zwingenden Grundes: Die Entfernung vom Unfallort darf nicht auf einem zwingenden Grund beruhen. Ein zwingender Grund kann beispielsweise ein medizinischer Notfall sein, der es dem Täter unmöglich macht, am Unfallort zu bleiben.

Pflichten am Unfallort und bei einem Verkehrsunfall

Wer an einem Verkehrsunfall beteiligt ist, hat am Unfallort verschiedene Pflichten zu erfüllen:

Anhalten: Der Täter muss sein Fahrzeug unverzüglich nach dem Unfall anhalten.

Hilfeleistung: Falls Verletzte am Unfall beteiligt sind, ist der Täter verpflichtet, Erste Hilfe zu leisten oder Hilfe zu organisieren.

Kontaktdaten austauschen: Der Täter muss seine Personalien (Name, Anschrift) sowie die Daten des Fahrzeughalters und des Fahrzeugs mitteilen. Falls der Unfallgegner nicht am Ort ist, sollte der Täter dies so hinterlassen, dass der Unfallgegner die Daten leicht ermitteln kann.

Warten auf die Polizei: Falls die Anwesenheit der Polizei erforderlich ist, muss der Täter am Unfallort warten, bis die Polizei eintrifft.

Strafverfolgung und Verjährung

Strafverfolgung: Die Strafverfolgung erfolgt entweder auf Antrag oder von Amts wegen. Das bedeutet, dass der Geschädigte des Unfalls die Staatsanwaltschaft informieren kann, die dann die Ermittlungen aufnimmt. Alternativ kann die Polizei von sich aus aktiv werden.

Verjährung: Die Verjährungsfrist für die Verfolgung der Tat beträgt drei Jahre. Bei schweren Fällen mit Verletzten oder Todesfolge beträgt die Verjährungsfrist fünf Jahre.

Beispielhafte Szenarien für das unerlaubte Entfernen vom Unfallort

Nachfolgend sind einige Beispiele für Situationen dargestellt, die als unerlaubtes Entfernen vom Unfallort im deutschen Strafrecht gelten könnten:

Auto beschädigt und weggefahren: Ein sehr typischer Fall ist der, dass ein Autofahrer beim Ausparken versehentlich gegen ein anderes geparktes Fahrzeug stößt, einen oder mehrere Schäden verursacht und davonfährt, ohne seine Kontaktdaten zu hinterlassen.

Fußgängerunfall: Der Tatbestand kann auch ohne Auto erfüllt werden. Ein Beispiel hierfür ist, dass ein Fußgänger von einem Radfahrer auf dem Bürgersteig angefahren und verletzt wird. Der Radfahrer verlässt den Unfallort, ohne sich um den Verletzten zu kümmern oder seine Identität preiszugeben.

Auffahrunfall mit Sachschaden: Ein Autofahrer fährt einem anderen Fahrzeug auf, wodurch Sachschaden entsteht. Der Fahrer steigt aus, sieht den Schaden und fährt ohne weitere Maßnahmen davon.

Unfall mit Personenschaden: Ein Autofahrer überquert eine rote Ampel und kollidiert mit einem anderen Fahrzeug, das Vorfahrt hat. Der Fahrer des anderen Fahrzeugs wird verletzt, während der erstere Fahrer den Unfallort verlässt, ohne sich um den Verletzten zu kümmern.

Parkrempler ohne Anhalten: Ein Autofahrer streift beim Einparken ein anderes Auto leicht, bemerkt den Schaden jedoch nicht und fährt weiter, ohne anzuhalten.

Auskunft verweigert: Nach einem Unfall wird der Fahrer von der Polizei aufgefordert, seine Personalien und Fahrzeugdaten anzugeben, weigert sich jedoch, dies zu tun, und entfernt sich vom Unfallort.

Diese Beispiele verdeutlichen verschiedene Situationen, in denen eine Person den Unfallort verlässt, ohne die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, wie Anhalten, Hilfe leisten und Kontaktdaten austauschen. Es ist wichtig sich klar zu machen, dass jede Situation von den spezifischen Umständen abhängt, und die genaue rechtliche Beurteilung variieren kann.

Welche Konsequenzen hat es, wenn der Verdächtigte den Unfall gar nicht bemerkt hat?

Wenn jemand an einem Unfall beteiligt ist, dies jedoch nicht bemerkt und sich vom Unfallort entfernt, kann es dennoch zu rechtlichen Konsequenzen kommen. Im deutschen Strafrecht gibt es den Grundsatz "Unkenntnis schützt vor Strafe nicht", was bedeutet, dass Unwissenheit oder Unbemerktbleiben einer Tat nicht automatisch von strafrechtlicher Verantwortung befreit.

Wenn eine Person einen Unfall verursacht, ohne dies bewusst wahrzunehmen und sich dann vom Unfallort entfernt, können folgende Schritte unternommen werden:

Strafverfolgung: Selbst wenn die Person den Unfall nicht bemerkt hat, kann eine Strafverfolgung eingeleitet werden, wenn der Unfall bekannt wird oder gemeldet wird, zum Beispiel durch Zeugen oder Überwachungskameras.

Ermittlungen: Die Strafverfolgungsbehörden werden Ermittlungen durchführen, um festzustellen, wer den Unfall verursacht hat und ob die Person fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt hat, indem sie den Unfallort verlassen hat.

Vorsatz und Fahrlässigkeit: Um strafrechtlich belangt zu werden, muss neben der tatsächlichen Tat (das Verlassen des Unfallorts) auch eine Schuld des Täters nachgewiesen werden. Hier wird zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit unterschieden. Falls die Person den Unfallort absichtlich verlassen hat, liegt Vorsatz vor. Bei fehlendem Vorsatz, aber fahrlässigem Verhalten (z.B. Unaufmerksamkeit im Straßenverkehr), kann dies ebenfalls strafrechtliche Konsequenzen haben. Jedoch wird keine Verurteilung wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort erfolgen, da diese Straftat Vorsatz voraussetzt.

Rechtliche Konsequenzen: Falls die Ermittlungen ergeben, dass die Person tatsächlich den Unfall verursacht hat und sich unerlaubt vom Unfallort entfernt hat, könnten rechtliche Konsequenzen folgen. Je nach Schwere des Falles und den Umständen kann eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren verhängt werden.

Rechtlicher Beistand: Wenn eine Person in eine solche Situation gerät, sollte sie sich umgehend rechtlichen Rat von einem Anwalt einholen. Ein Anwalt kann die individuellen Umstände prüfen, die Verteidigung vorbereiten und die Interessen der betroffenen Person im Strafverfahren vertreten.

Es ist erneut wichtig hervorzuheben, dass jedes Szenario individuell ist, und die rechtlichen Konsequenzen von den spezifischen Umständen abhängen. Daher ist es ratsam, im Falle einer strafrechtlichen Angelegenheit immer rechtlichen Rat von einem Fachexperten einzuholen.

Überlegungen zu einer Reform des Straftatbestandes

Im Jahr 2023 gibt es seitens der Politik Überlegungen dahingehend, den Straftatbestand des unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu reformieren. Knackpunkt dieser Überlegungen ist es offenbar, die Strafbarkeit auf solche Unfälle zu begrenzen, bei denen es zu einem Personenschaden kommt. Das unerlaubte Entfernen vom Unfallort bei Unfällen, die lediglich mit einem Sachschaden einhergehen, würde dann allenfalls noch als Ordnungswidrigkeit geahndet werden.

Ob sich diese Überlegungen durchsetzen werden und in welcher Form die genaue Ausgestaltung des Straftatbestandes dann erfolgen wird, ist zum Zeitpunkt der Verfassung dieses Beitrages noch nicht absehbar und bleibt abzuwarten.

Zusammenfassung

Jedenfalls nach der Rechtslage im August 2023 ist der Straftatbestand des unerlaubten Entfernens vom Unfallort nicht zu unterschätzen. Auch bei vermeintlich kleinen Unfällen, wie etwa einem Parkrempler oder einem angefahrenen Verkehrsschild, kann das unerlaubte Entfernen zu einer strafrechtlichen Verurteilung führen.

Sie sollten daher im Fall der Fälle immer lieber vor Ort bleiben beziehungsweise dafür Sorge tragen, dass – nach einer angemessenen Wartezeit – eine Meldung mit ihren Daten bei der Polizei eingeht. Wie lang genau diese angemessene Wartezeit ist, lässt sich nicht allgemein beantworten. Vielmehr hängt dies insbesondere von der Schwere des Unfalls und auch den weiteren Umständen des Einzelfalls ab. Unter 30 Minuten Wartezeit wird man allerdings nur in den seltensten Fällen von einer Angemessenheit ausgehen können.

Sollten Sie Fragen zu dem Delikt haben oder eine rechtliche Beratung in diesem Kontext benötigen, stehen wir Ihnen mit unserer jahrelangen Erfahrung gerne zur Seite.

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Strafverteidiger und Rechtsanwalt Karl Matthias Göbel CTA Karl Matthias Göbel - Strafverteidiger

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