Wer als Fahrer eines Autos während der Fahrt einen (elektronischen) Taschenrechner benutzt, verrechnet sich möglicherweise schneller als gedacht…
… und zwar nicht nur im Hinblick auf die mit dem Taschenrechner vorgenommene Kalkulation, sondern vor allem im Hinblick auf einen bußgeldbewährten Tatbestand!
Die dem Beschluss zugrunde liegende Fragestellung
Im Dezember 2020 (Beschluss vom 16. Dezember 2020 – 4 StR 526/19) hatte sich der Bundesgerichtshof, konkret der 4. Strafsenat (zuständig für Verkehrsstraftaten), mit der Frage zu befassen, ob die Nutzung eines Taschenrechners während des Autofahrens die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1a der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) erfüllt und dementsprechend mit einem Bußgeld geahndet werden kann. In § 23 Abs. 1a StVO heißt es nämlich:
„(1a) Wer ein Fahrzeug führt, darf ein elektronisches Gerät, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient oder zu dienen bestimmt ist, nur benutzen, wenn
1. hierfür das Gerät weder aufgenommen noch gehalten wird und
2. entweder
a) nur eine Sprachsteuerung und Vorlesefunktion genutzt wird oder
b) zur Bedienung und Nutzung des Gerätes nur eine kurze, den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen angepasste Blickzuwendung zum Gerät bei gleichzeitig entsprechender Blickabwendung vom Verkehrsgeschehen erfolgt oder erforderlich ist.
Geräte im Sinne des Satzes 1 sind auch Geräte der Unterhaltungselektronik oder Geräte zur Ortsbestimmung, insbesondere Mobiltelefone oder Autotelefone, Berührungsbildschirme, tragbare Flachrechner, Navigationsgeräte, Fernseher oder Abspielgeräte mit Videofunktion oder Audiorekorder. […]“
Der Ausgangsfall
Hintergrund der Fragestellung war ein Sachverhalt, in dem ein Autofahrer durch das Amtsgericht Lippstadt/Westfalen zur Zahlung eines Bußgeldes in Höhe von knapp 150 Euro verurteilt worden war, weil er nicht nur zu schnell gefahren, sondern eben auch noch den besagten Taschenrechner während der Fahrt benutzt hatte. Das Gericht war der Meinung, dass der elektronische Taschenrechner einem Mobiltelefon, wie es in § 23 Abs.1a Satz 2 StVO explizit genannt wird, in nichts nachstehe und daher unter § 23 Abs. 1a StVO subsumiert werden müsse. Ob die während der Fahrt durch den Fahrer des Falls berechnete Provision des anstehenden Kundentermins zumindest richtig berechnet wurde, entzieht sich übrigens der Kenntnis des Verfassers dieses Artikels und spielte wohl auch für die Gerichte keine Rolle…
Der Instanzenzug
Da der Autofahrer die Einschätzung des Amtsgerichts Lippstadt/Westfalen nicht teilte, wandte er sich im Zuge der Rechtsbeschwerde an das Oberlandesgericht in Hamm. Dieses wollte sich eigentlich der Auffassung des Amtsgerichts Lippstadt/Westfalen anschließen, sah sich aber dennoch daran gehindert, die Rechtsbeschwerde zu verwerfen, da das Oberlandesgericht in Oldenburg im April 2018 entschieden hatte, dass ein Taschenrechner gerade nicht unter die Vorschrift des § 23 Abs. 1a StVO falle. Die Annahme, dass das Eingeben einer Rechenoperation und das anschließende Ablesen des Ergebnisses einem Informationszweck unterfallen würden, so das Oberlandesgericht Oldenburg, würde die Auslegung der Norm überstrapazieren und wäre für den Normadressaten nicht erkennbar. Auch nachdem das Oberlandesgericht in Hamm noch einmal Rücksprache mit dem Oberlandesgericht in Oldenburg gehalten hatte, blieb es bei den unterschiedlichen Ansichten. Vor diesem Hintergrund legte das Oberlandesgericht in Hamm die Frage dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vor und wollte konkret wissen:
„Fällt ein reiner (elektronischer) Taschenrechner als elektronisches Gerät, das der Kommunikation, Information oder Organisation bzw. der Unterhaltungselektronik oder der Ortsbestimmung dient bzw. dienen soll, unter § 23 Abs. 1a StVO?“
Der Beschluss des Bundesgerichtshofs
Der Bundesgerichtshof fand die Frage zwar etwas zu weit formuliert, stimmte aber zu, dass jedenfalls folgende Frage wohl einer eindeutigen Klärung bedürfe:
„Unterfällt ein elektronischer Taschenrechner als elektronisches Gerät, das der Information dient oder zu dienen bestimmt ist, der Vorschrift des § 23 Abs. 1a Satz 1 StVO?“
Im Ergebnis hat der Bundesgerichtshof die Frage bejaht und damit endgültig entschieden, dass auch ein elektronischer Taschenrechner – selbst wenn dieser dort nicht explizit benannt wird – unter die Vorschrift des § 23 Abs. 1a der StVO fällt.
Die Begründung des Bundesgerichtshofs
Seine Entscheidung hat der Bundesgerichtshof im Wesentlichen mit einer Änderung der Straßenverkehrsordnung begründet, die im Jahr 2017 durchgeführt wurde. Bis dahin war nämlich ausdrücklich nur die Nutzung eines Mobil- und Autotelefons verboten. Mit der Änderung 2017 wurde dieses Verbot erheblich ausgeweitet und umfasst nun auch die Nutzung aller elektronischen Geräte, welche der Kommunikation, Information und Organisation dienen. Hierzu zählen explizit, aber nicht abschließend, auch Geräte der Unterhaltungselektronik und Navigationsgeräte. Mit dieser Ausweitung hat der Gesetzgeber gezeigt, dass es ihm grundsätzlich darum geht, Gefahren für die Verkehrssicherheit durch die Nutzung elektronischer Geräte möglichst auszuschließen. Eine solche Gefahr stellt nach Auffassung des Bundesgerichtshofs auch die Nutzung eines elektronischen Taschenrechners dar. Zumal es sich bei einem solchen nach Ansicht der Gerichte ebenfalls um ein Gerät zur Information handelt.
Welche Konsequenzen hat der Beschluss?
Nachdem die Frage, ob ein elektronischer Taschenrechner als elektronisches Gerät, das der Information dient oder zu dienen bestimmt ist, der Vorschrift des § 23 Abs. 1a Satz 1 StVO, unterfällt, nun eindeutig durch den Bundesgerichtshof bejaht wurde, sollten Sie von der Nutzung eines elektronischen Taschenrechners beim Autofahren absehen.
Sollten Sie diesen Artikel jedoch erst im Nachhinein lesen bzw. zu spät von der Entscheidung des Bundesgerichtshofs Kenntnis erlangt haben und bereits ein Bußgeld gegen Sie verhängt worden sein, so stehen wir Ihnen gerne unterstützend zur Verfügung und erarbeiten mit Ihnen gemeinsam die die optimale Verteidigungsstrategie!