Zwischenverfahren

4 Minuten Lesezeit 18.08.2023
Zwischenverfahren

Das Zwischenverfahren wird im Anschluss an das Ermittlungsverfahren als zweiter Schritt des Erkenntnisverfahrens durchge-führt. Hat sich der Anfangsverdacht aus dem Ermittlungsverfahren bekräftigt, reicht die Staatsanwaltschaft eine Anklageschrift beim zuständigen Gericht ein. Dieses muss die Anklageschrift anschließend zulassen. Es entsteht also eine Art Schwebezustand im Zeitraum zwischen der von der Staatsanwaltschaft festgestellten Anklagereife und der Zulassung des Verfahrens durch das Gericht.

Sinn und Zweck des Zwischenverfahrens ist es, dass das Gericht als unabhängige “zweite Instanz” nach der Staatsanwaltschaft noch einmal überprüfen soll, ob dem Be¬schuldigten tatsächlich ein hinreichender Tatverdacht zu Last gelegt werden kann. Hierdurch soll verhindert werden, dass dem Beschuldigten durch die Eröffnung der Hauptverhandlung persönliche, berufliche und finanzielle Belastungen entstehen. Dazu trägt auch der Umstand bei, dass das Zwischenverfahren (im Gegensetz zur Hauptverhandlung) nicht öffentlich ist. Auch Schöffen sind in diesem Verfahrensabschnitt noch nicht beteiligt. Von der Bezeichnung her wird der „Beschuldigte“ im Rahmen des Zwischenverfahrens zum „Angeschuldigten“.

Was kann der Strafverteidiger für einen Angeschuldigten vor der Eröffnung des Hauptverfahrens im Zwischenverfahren tun?

Dem Angeschuldigten wird die Anklageschrift gem. § 201 StPO mit allen ihm zur Last gelegten Taten im Wege der förmlichen Zustellung vom Gericht mitgeteilt. In diesem Stadium wird auch von gerichtlicher Seite festgelegt, ob ein Fall der notwendigen Verteidigung gem. § 140 StPO vorliegt.

Bereits zu diesem Zeitpunkt kann ein versierter Strafverteidiger einiges für den Angeschuldigten bewirken. Zunächst einmal wird er sich die übermittelte Anklageschrift ganz genau anschauen (vermutlich deutlich genauer, als das Gericht dies zu diesem Zeitpunkt getan hat). Liegen geeignete Ansatzpunkte vor (was häufig der Fall ist) hat der Strafverteidiger verschiedene Handlungsoptionen. Zunächst einmal kann er das Gespräch mit dem Gericht und/oder auch der Staatsanwaltschaft suchen und etwaige Unklarheiten unmittelbar dort adressieren bzw. darauf hinweisen.

Auch schriftliche Äußerungen des Verteidigers sind in diesem Stadium bereits möglich und letztlich eine Frage der Taktik. Auf diese Weise kann gegebenenfalls (zugegebenermaßen allerdings eher selten) die Eröffnung des Hauptverfahrens verhindert werden. Etwas häufiger gelingt es jedoch, auf die in der Anklageschrift vorgeworfene Tat Einfluss zu nehmen und die Staatsanwaltschaft bzw. das Gericht davon zu überzeugen, dass beispielsweise keine schwere, sondern allenfalls eine einfache Körperverletzung vorliegt (da es nämlich am Vorliegen eines Qualifikationstatbestandes fehlt).

Übersichtlich zusammengefasst sind rein theoretisch bereits zu diesem Zeitpunkt folgende umfangreiche Ergebnisse durch einen Strafverteidiger zu erzielen:

  • Nichteröffnung des Verfahrens (§ 204 StPO) (mit der Konsequenz des Verbrauchs der Strafklage gemäß § 211 StPO),
  • modifizierte Eröffnung des Verfahrens (§ 207 Abs. 2 StPO),
  • weitere Aufklärung, etwa durch Erhebung von Beweisen im Zwischenverfahren (§ 202 StPO),
  • vorläufige Einstellung des Verfahrens beim Bestehen von vorübergehenden Verfahrenshindernissen (§ 205 StPO),
  • endgültige Einstellung des Verfahrens aufgrund von Gesetzesänderungen nach Anklageerhebung (§ 206b StPO),
  • Eröffnung des Verfahrens vor einem Gericht niedrigerer Ordnung (§ 209 Abs. 1 StPO) oder auch
  • Vorlage der Angelegenheit an ein höheres Gericht (§ 209 Abs. 2 StPO).

Die Liste zeigt, dass die Anklageschrift durch den Angeschuldigten in keinem Fall einfach nur hingenommen werden sollte. Vielmehr sollte sich der Angeschuldigte intensiv damit auseinandersetzen beziehungsweise einen entsprechend spezialisierten Rechtsanwalt damit beauftragen. Nur so kann bereits zu diesem frühen Zeitpunkt das bestmögliche Ergebnis für den Angeschuldigten herausgeholt werden.

Wird der Strafverteidiger immer den Kontakt zum Gericht suchen und alle Möglichkeiten vor der Eröffnung des Hautverfahrens ausschöpfen?

Hier gilt die angeblich typische Antwort der Juristen: „Es kommt darauf an…“. Ob und wenn ja in welchem Umfang der Staatsanwaltschaft und dem Gericht bereits zu einem solch frühen Zeitpunkt Einblick in die Verteidigungsstrategie gewährt wird, ist immer auch eine Frage der Taktik. Der Verteidiger wird daher einzelfallbezogen darüber entscheiden, welche Informationen und Überlegungen bereits offengelegt und welche für einen späteren Zeitpunkt zurückgehalten werden.

Wie endet das Zwischenverfahren?

Je nach Sachverhalt kann das Zwischenverfahren im Grunde auf drei erdenkliche Art und Weisen enden:

  • Kommt das Gericht zu dem Schluss, dass ein hinreichender Tatverdacht gegen den Angeschuldigten besteht, so wird es das Hauptverfahren mit einem Eröffnungsbeschluss eröffnen. Dieser kann jedoch inhaltlich von der Anklageschrift abweichen, da das Gericht keiner Bindung an die Anträge der Staatsanwaltschaft unterliegt. Gegen den Eröffnungsbeschluss bestehen für den Angeschuldigten keine erfolgversprechenden Verteidigungsmöglichkeiten. Seine Verteidigung muss er im Hauptverfahren fortsetzen.
  • Schätzt das Gericht die Voraussetzungen für ein Hauptverfahren als nicht gegeben ein, dann wird es vermutlich einen Ablehnungsbeschluss erlassen. Die Staatsanwaltschaft hat in diesem Fall jedoch die Möglichkeit, gegen den Ablehnungsbeschluss mit einer sofortigen Beschwerde vorzugehen.
  • Schließlich ist auch – sozusagen als Mittelweg – bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen eine vorläufige Einstellung des Verfahrens durch das Gericht möglich.
Vertrauliche Beratung. Starker Schutz.

Wir wissen, dass es um mehr geht als nur Recht - es geht um Ihr Leben und Ihre Zukunft. Kontaktieren Sie uns jetzt, um eine vertrauliche Beratung zu erhalten.

Strafverteidiger und Rechtsanwalt Karl Matthias Göbel CTA Karl Matthias Göbel - Strafverteidiger

👋 Haben Sie ein Rechtsproblem? In nur wenigen Schritten zum Termin 🕑