Ordnungswidrigkeitenrecht

6 Minuten Lesezeit 23.08.2023
Ordnungswidrigkeitenrecht

Das Ordnungswidrigkeitenrecht liegt an der Schnittstelle zwischen strafrechtlichen und verwaltungsrechtlichen Vorschriften. Es sanktioniert ordnungsrechtliche Zuwiderhandlungen, die der Gesetzgeber aufgrund geringeren Unrechtsgehalts als nicht strafwürdig und damit auch nicht strafbedürftig erachtet. Diese vom Gesetzgeber vorgenommene Entkriminalisierung trägt dem Umstand Rechnung, dass es sich bei Ordnungswidrigkeiten um tagtäglich massenhaft vorkommende Gesetzesverletzungen handelt. Insbesondere straßenverkehrsrechtliche Verstöße, aber auch Verstöße gegen das Steuer-, Bau-, Gewerbe-, Gaststätten- und Abfallrecht sowie gegen den Jugend-, Tier-, Arbeits- und Umweltschutz können als Ordnungswidrigkeiten geahndet werden.

Was ist der Unterschied zwischen dem Strafrecht/Strafverfahren und dem Ordnungswidrigkeitenrecht / Ordnungswidrigkeitenverfahren?

Obwohl das Strafrecht und das Ordnungswidrigkeitenrecht eng miteinander verbunden sind – insoweit wird oft vom Ordnungswidrigkeitenrecht als dem „kleinen Bruder“ des Strafrechts gesprochen – unterscheiden sich die Tatbestände, Sanktionen und Verfahren grundlegend.

Bei einer Straftat sind Staatsanwaltschaft und Polizei als Strafverfolgungsbehörden grundsätzlich dazu verpflichtet Ermittlungen aufzunehmen bzw. einzuschreiten, vgl. §§ 152 Abs. 2, 163 Abs. 1 StPO (Legalitätsprinzip). Die Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit hingegen liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Ordnungsbehörde bzw. Polizei und das Verfahren kann jederzeit eingestellt werden, vgl. § 47 Abs. 1 OWiG (Opportunitätsprinzip).

Im Strafverfahren ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen einen Beschuldigten und es drohen im schlimmsten Falle beispielsweise der Erlass eines Strafbefehls oder die Anklageerhebung. Wird das Hauptverfahren gegen den Beschuldigten eröffnet, kann hierbei ein Strafurteil mit einem empfindlichen Strafmaß herauskommen. Im Ordnungswidrigkeiten- bzw. Bußgeldverfahren ermittelt allein die Verwaltungsbehörde (Polizei oder Ordnungsbehörde). Sie entscheidet (zumindest zunächst) auch zunächst selbstständig über die Sanktionierung der vorgeworfenen Ordnungswidrigkeit.

Während das Strafrecht bei der Erfüllung eines Straftatbestandes als Rechtsfolge Geld- sowie Freiheitsstrafen vorsieht, sanktioniert das Ordnungswidrigkeitenrecht Verstöße mit einer Verwarnung, einem zusätzlichen Verwarnungsgeld oder einer Geldbuße. Von besonderer Bedeutung ist hierbei, dass eine Ordnungswidrigkeit keine Strafe im Sinne des StGB darstellt und in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren selbst eine spätere Verurteilung durch ein Gericht weder zu einer Vorbestrafung führt noch eine Eintragung in ein Führungszeugnis nach sich zieht.

Was versteht man unter einer Ordnungswidrigkeit?

Bei einer Ordnungswidrigkeit handelt es sich um einen vorsätzlichen oder fahrlässigen, rechtswidrigen Verstoß gegen ein gesetzliches Ge- oder Verbot des Ordnungsrechts, der wegen seines geringeren Unrechtsgehalts mit einer Geldbuße geahndet wird, vgl. § 1 OWiG.

Welche Verstöße im Straßenverkehr stellen eine Ordnungswidrigkeit dar?

Insbesondere Verstöße gegen Ge- und Verbote im Straßenverkehr stellen regelmäßig Ordnungswidrigkeiten dar. Zu den typischen Verstößen zählen u.a. Geschwindigkeitsüberschreitungen, Abstandsunterschreitungen, Rotlichtverstöße, Parken im Halteverbot, aber auch Fahrzeugmängel (abgelaufener TÜV) und Missbrauch von Alkohol und Drogen sowie Handy am Steuer.

Welche Sanktionen drohen bei einem Verstoß gegen das Ordnungswidrigkeitenrecht?

Bei geringfügigen Ordnungswidrigkeiten kann die Verwaltungsbehörde eine (kostenfreie) Verwarnung erteilen und zusätzlich auch ein Verwarnungsgeld in Höhe von 5 € bis 55 € erheben, §§ 56 Abs. 1, 57 Abs. 2 OWiG, § 2 Abs. 3 BKatV. Der Betroffene muss über sein Weigerungsrecht belehrt werden und mit der Zahlung des Verwarnungsgeldes einverstanden sein. In diesem Fall muss das Verwarnungsgeld sofort oder innerhalb einer Frist von einer Woche gezahlt werden, vgl. § 56 Abs. 2 OWiG. Verweigert der Betroffene die Zahlung des Verwarnungsgeldes wird regelmäßig gegen ihn ein Bußgeld erhoben. Gegen die Verhängung eines Verwarnungsgeldes lohnt sich ein Vorgehen kaum. Denn dies führt zu einer Eintragung in das Fahreignungsregister (FAER, früher Verkehrszentralregister). Auch liegt kein Präjudiz hinsichtlich eventuell nachfolgender Schadensregulierungen vor. Zudem kann bei einer wirksamen Verwarnung die Tat nicht mehr unter den tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten verfolgt werden, unter denen die Verwarnung erteilt worden ist, § 56 Abs. 4 OWiG. All dies spricht letztlich dafür, Verwarnung auf sich beruhen zu lassen und das verhängte Verwarnungsgeld zu zahlen.

Die Geldbuße beträgt nach dem OWiG mindestens 5 € und höchstens 1.000 €, § 17 Abs. 1 OWiG, für Verkehrsordnungswidrigkeiten sogar bis zu 2.000 €, § 24 Abs. 2 StVG und kann unter Umständen in anderen Gesetzen noch deutlich höher ausfallen. Kommt nur eine fahrlässige Begehung der Ordnungswidrigkeit in Betracht mindert sich der Höchstbetrag des Bußgeldes um die Hälfte, sofern keine andere gesetzliche Regelung vorliegt, vgl. § 17 Abs. 2 OWiG i. V. m. § 24 Abs. 2 StVG. Ab einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 21 km/h der zulässigen Höchstgeschwindigkeit erfolgt eine Eintragung in das FAER. Fahrverbote drohen schon bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 21 km/h innerorts und 26 km/h außerorts und können für bis zu 3 Monaten verhängt werden.

Wie läuft das Bußgeldverfahren grundsätzlich ab?

Im sog. Vorverfahren erhält die Verwaltungsbehörde zunächst Kenntnis davon, dass der Betroffene eine Ordnungswidrigkeit begangen hat, z.B. dadurch, dass er bei überhöhter Geschwindigkeit „geblitzt“ wurde. Danach leitet die Verwaltungsbehörde das Bußgeldverfahren ein, indem sie den Halter des geblitzten PKW ermittelt. Hierzu richtet sie eine Halterabfrage an die zuständige Zulassungsstelle. Nachdem die Verwaltungsbehörde die Halterangaben erhalten, hat schickt sie dem Halter des PKW einen Anhörungsbogen zu, in welchem er sich zu der Ordnungswidrigkeit äußern kann (aber nicht muss und im Zweifel auch nicht sollte!). Der Anhörungsbogen muss sodann wieder mit den Angaben zur eigenen Person zurück an die Verwaltungsbehörde geschickt werden. Danach wird der Bußgeldbescheid von der zuständigen Verwaltungsbehörde erlassen und per Post zugestellt. Entscheidet man sich als Betroffener dazu, das verhängte Bußgeld zu akzeptieren und zu zahlen, wird der Bußgeldbescheid nach 14 Tagen rechtskräftig, d.h. ein Vorgehen gegen den Bußgeldbescheid ist danach ausgeschlossen und das Verfahren ist beendet.

Soll man sich gegen einen Bußgeldbescheid wehren?

Das Bußgeldverfahren ist besonders fehleranfällig. Sowohl während des polizeilichen Messverfahrens (z.B. durch Radarkontrolle), als auch im Verlaufe der Ermittlungen sowie beim Erlass eines Bußgeldbescheides hinsichtlich der Verfahrensvorschriften können den zuständigen Verwaltungsbehörden Fehler unterlaufen. In diesen Fällen sollte sich der Beschuldigte gegen den Bußgeldbescheid zur Wehr setzen. Selbst wenn der Verwaltungsbehörde keine Fehler unterlaufen sind lohnt sich oftmals ein Vorgehen gegen den Bußgeldbescheid, da durch eine erfolgreiche Verteidigung z. B. die festgesetzte Geldbuße reduziert oder von einem Fahrverbot abgesehen wird. Nicht nur im Umkreis der Standorte Düsseldorf, Köln und Mönchengladbach, sondern bundesweit stehen wir als Rechtsanwälte Göbel & Partner als Ihre Strafverteidiger auf dem Gebiet des Strafrechts und Ordnungswidrigkeitenrecht zur Verfügung.

Wie kann man gegen einen Bußgeldbescheid vorgehen?

Gegen einen Bußgeldbescheid kann innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung Einspruch eingelegt werden, § 67 OWiG. Eine Begründung des Einspruchs ist zwar nicht erforderlich, kann aber zweckmäßig sein, um auf berechtigte Einwände besonders hinzuweisen. Dies führt zum Zwischenverfahren, in dem der Bußgeldbescheid erneut durch die Verwaltungsbehörde begutachtet und über den Einspruch entschieden wird. Kommt die Verwaltungsbehörde zu dem Schluss, dass der Betroffene zu Unrecht einer Ordnungswidrigkeit beschuldigt wird, stellt sie das Verfahren ein. Wenn sie den Einspruch jedoch als unzulässig verwirft, kann die gerichtliche Entscheidung beantragt werden, § 62 Abs. 1 OWiG. Das Verfahren wird dann an die zuständige Staatsanwaltschaft übermittelt. Diese überprüft, ob der Sachverhalt genügend aufgeklärt ist. Die Staatsanwaltschaft kann ihrerseits das Verfahren einstellen oder weitere Ermittlungen durchführen, § 64 OWiG, und wird in den meisten Fällen die Sache dem zuständigen Amtsgericht übermitteln, womit das Hauptverfahren beginnt. Auch das Gericht kann durch Beschluss den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid als unzulässig verwerfen, § 70 OWiG, oder einen Hauptverhandlungstermin anberaumen. In der Regel wird im Rahmen der Hauptverhandlung über den Einspruch des Beschuldigten durch Urteil entschieden. Sollte weder ein Freispruch noch eine Einstellung des Verfahrens erfolgen, steht gegen das Urteil das Rechtsmittel der Beschwerde zur Verfügung, § 79 OWiG, die jedoch nur unter engen Voraussetzungen zulässig ist.

Wann verjähren Ordnungswidrigkeiten?

Ordnungswidrigkeiten mit einem Höchstmaß von bis zu 1.000 Euro verjähren innerhalb von sechs Monaten, § 31 Abs. 2 Nr. 4 OWiG. Solange kein Bußgeldbescheid ergangen oder eine öffentliche Klage erhoben worden ist beträgt die Verjährungsfrist für Verkehrsordnungswidrigkeiten drei Monate, § 24 i. V. m. § 26 Abs. 3 StVG. Nach Ablauf der Verjährungsfrist kann eine Ordnungswidrigkeit nicht mehr durch die Verwaltungsbehörde verfolgt werden. Finden jedoch bereits bestimmte Ermittlungsmaßnahmen statt, wird die Verjährung der Ordnungswidrigkeit unterbrochen und beginnt danach wieder neu zu laufen, § 33 Abs. 1 und 3 S. 1 OWiG.

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